Richtlinie besagt

Neurologe muss Hirntod feststellen

Jetzt ist es amtlich: Keine Hirntoddiagnostik ohne Neurologen oder Neurochirurgen. In einer neuen Richtlinie werden bestehende Regeln verschärft und präzisiert.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

BERLIN. Um die Hirntoddiagnostik hat es zuletzt immer wieder Diskussionen geben, so sorgten Fälle für Aufsehen, in denen trotz unvollständiger Diagnostik bereits mit der Organentnahme begonnen worden war.

Die neue Richtlinie zur Hirntoddiagnostik der Bundesärztekammer (BÄK) legt nun mehr Wert auf eine gute Qualifikation der Ärzte, die den Hirntod feststellen und Körper zur Organentnahme freigeben dürfen.

Zugleich finden bewährte apparative Methoden für den Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes wie Duplexsonographie und CTAngiografie Eingang in die "Vierte Fortschreibung der Richtlinie zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls".

Begriff "Hirntod" wird vermieden

Das Update ersetzt die dritte Richtlinie zur Feststellung des Hirntodes aus dem Jahr 1997. In der neuen Richtlinie wird der Begriff "Hirntod" bewusst vermieden, stattdessen fokussieren sich die Richtlinienautoren nur noch auf den "irreversiblen Hirnfunktionsausfall" und damit auf das, was sich wissenschaftlich und medizinisch tatsächlich nachweisen lässt.

Auf diese Weise wird die Diskussion vermieden, ob das Gehirn zum Zeitpunkt eines irreversiblen Funktionsausfalls auch nach einem philosophisch-ethischen Verständnis tot ist. Der Begriff "Hirntod" habe in der Vergangenheit zu Missverständnissen geführt, so BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery.

"Mit der Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms ist naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt", erläuterte Montgomery dem Deutschen Ärzteblatt.

Diagnostik nur durch Fachärzte

Inhaltlich werden die Anforderungen an die Qualifikation der Ärzte präzisiert: Sie müssen nicht nur wie bisher über eine mehrjährige intensivmedizinische Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit akuten und schweren Hirnschädigungen verfügen, sondern auch Fachärzte sein.

"Sie müssen die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzen, um die Indikation zur Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls zu prüfen, die klinischen Untersuchungen durchzuführen und die Ergebnisse der angewandten apparativen Zusatzdiagnostik beurteilen zu können", heißt es in der Richtlinie.

Neu ist auch, dass mindestens einer der Ärzte, die den Hirntod feststellen, ein Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein muss. Bei Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ist zusätzlich ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin erforderlich. Ist dieser ein Neuropädiater, muss der zweite untersuchende Arzt kein Neurologe oder Neurochirurg sein.

Neu ist auch, dass die Ärzte ihre Qualifikation gemäß der Richtlinie auf dem Protokollbogen bestätigen müssen. Den beteiligten Ärzten wird zudem eine regelmäßige Teilnahme an qualitätsfördernden Maßnahmen empfohlen. Diese sind jedoch keine Pflicht, auch fordert die BÄK keine entsprechenden Nachweise.

Dreistufiges Vorgehen

Am Prozedere der Hirntoddiagnostik hat sich jedoch wenig geändert. Weiterhin müssen mindestens zwei qualifizierte Ärzte den irreversiblen Ausfall der Hirnfunktionen unabhängig voneinander feststellen, diese Ärzte dürfen nicht an der Entnahme oder der Übertragung von Organen oder Gewebe des Spenders beteiligt sein. Sie dürfen auch nicht Weisungen eines Arztes unterstehen, der daran beteiligt ist.

Die Diagnostik selbst erfolgt wie bisher in drei Stufen: Voraussetzung für den Hirntod bleibt der zweifelsfreie Nachweis einer akuten schweren Hirnschädigung sowie der Ausschluss reversibler Ursachen.

In einem zweiten Schritt müssen alle in den Richtlinien geforderten sieben klinischen Ausfallsymptome nachgewiesen werden: Koma, Lichtstarre beider Pupillen, kein okulozephaler/vestibulookulärer Reflex, kein Kornealreflex, keine Reaktion auf Schmerzreize, kein Pharyngeal- und Trachealreflex sowie der Ausfall der Spontanatmung.

Danach müssen die Ärzte die Irreversibilität des Ausfalls feststellen, und zwar durch eine Nachuntersuchung nach mindestens zwölf Stunden bei primärer supratentorieller Hirnschädigung sowie nach einer Wartezeit von mindestens 72 Stunden bei sekundärer Hirnschädigung.

Alternativ kann der Nachweis eines isoelektrischen EEGs, der Ausfall evozierter Potenziale oder der Nachweis eines zerebralen Zirkulationsstillstands die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls auch ohne Wartezeit belegen. Zur Untersuchung der Zirkulation werden Doppler-/Duplexsonografie, zerebrale Perfusionsszintigrafie oder CT-Angiografie erlaubt.

Sonderregeln für Kinder unter zwei Jahren

Für Kinder unter zwei Jahren gelten Sonderregeln beim Nachweis der Irreversibilität: Die Wartezeit bis zur obligaten klinischen Verlaufsuntersuchung beträgt unabhängig von der Art der Hirnschädigung bei Neugeborenen bis zum 28. Tag mindestens 72 Stunden, danach mindestens 24 Stunden.

Zusätzlich sind apparative Untersuchungen nötig (isoelektrisches EEG, evozierte Potenziale, Hirnzirkulation).

Die Richtlinie nimmt auch die Kliniken etwas stärker in die Pflicht. Sie müssen in einer Arbeitsanweisung festlegen, wie genau die Diagnostik zu verlaufen hat und dass diese gemäß der neuen Richtlinie erfolgt. Wie solche "Verfahren zur Qualitätssicherung der Todesfeststellung" im Einzelnen auszusehen haben, überlässt die Richtlinie aber den Kliniken.

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Kommentare
Anne C. Leber 19.08.201513:23 Uhr

Leserzuschrift von Alfons Grau

Auf Grund der Definition - mehr ist das nicht - "Hirntod", werden Menschen für tot erklärt und bei lebendigem Leib explantiert. Eine richtige Diagnose für irreversibles Hirnversagen oder gar Gesamt-Hirntod - ist nicht möglich, allenfalls eine Prognose und Befund nach Sektion. Wer sich zum Zweck der Organspende töten lassen will und wer sich ein Organ von einem/einer Getöteten implantieren lassen will, kann das ja tun. Aber dieser Kreis von Menschen soll unter sich bleiben. Unwissende dürfen nicht hineingezogen werden. Um das zu gewährleisten, ist als Mindestforderung ein Transplantationsgesetz erforderlich, mit dem eine enge Zustimmungslösung festgeschrieben wird, die jetzt sogar die deutschen katholischen Bischöfe verlangen. Eigentlich ist das auch in der Entscheidungslösung so, wenn der verordnete und ausgeübte Druck und die verlogene Werbung für Organspende entfallen.

Da das so ist, würde niemand im Kontext Hirntoddiagnose einen Hirntoten verbrennen oder begraben. Aber man transportiert ihn/sie eiligst von der Intensivstation zum Operationssaal, weil man Organe zur Verpflanzung entnehmen muss bevor er/sie stirbt. Hinterhältig und absurd ist die Formulierung im amtlichen Spenderausweis: "Für den Fall, dass nach meinem Tod eine ...". Die Explantation eines/einer sogenannten Hirntoten ist eine der grausamsten Tötungsarten, die Menschen je erfunden haben, jedenfalls dann, wenn sie ohne Vollnarkose erfolgt. In Medizinerkreisen in den USA spricht man in diesem Zusammenhang von "justified killing".

In der auf Hirntod basierenden Organtransplantation wird christliche Nächstenliebe missbraucht und Utilitarismus - man kann m.E. auch von medizinischer Anthropophagie sprechen - praktiziert.

Alfons Grau aus Erlangen

Dr. Wolfgang P. Bayerl 13.08.201520:35 Uhr

Liebe Frau @Heidemarie Heubach, schon wieder Hitler?

Sie wissen doch, dass der ein ausgesprochener "Gutmensch", wie es heute so viele gibt gewesen, sein soll,
nicht verheiratet, Tierfreund, Vegetarier und er hat auf persönlichen Wunsch die vorher illegalen Heilpraktiker gesetzlich zugelassen.

Nur mit Menschen war er weniger zimperlich, irgendwie ein Zeichen der Zeit.
Transplantieren ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie hier frech unterstellen.

Heidemarie Heubach 12.08.201513:05 Uhr

Der Mensch ist nicht nur Gehirn!

Diese Rumeierei der BÄK ist nicht nur sicher kontraproduktiv (sondern auch gegen die Vorschrift des TPG nach "umfassender Aufklärung"!), doch können sich Menschen heute längst tranparente Informationen übers Internet besorgen. Da finden sie z.B. den viel ehrlicheren Fachbegriff der USA-Neurologen für unsere Organ-"Spende" mit "justified killing", denn der gesamte Mensch ist höchstens im Sterbeprozeß, wenn er explantiert wird. (Dramatisch, besonders in Deutschland mit seiner Euthanasie-Vergangenheit!)
Ein Teil der Deutschen Ethikkommission, die Deutsche Bischoffskonferenz, die EFID (ev.Frauen in Deutschland) publizieren längst breit, was die BÄK immer noch unter dem Tisch versteckt. Einerseits verständlich - wer will schon durch die Hand von Ärzten auf dem OP-Tisch sterben, statt an der Hand eines lieben Angehörigen ?! - andererseits wenig vertrauensbildend für potentielle "Spender". So wird das wohl kaum was werden mit der Steigerung von Spenderzahlen..........

Joachim Linder 12.08.201509:48 Uhr

Keine Arbeitsanweisung des Krankenhauses, wie die Diagnostik erfolgt

Die in der neuen Richtlinie der Bundesärztekammer zum irreversiblen Hirnfunktionsausfall geforderten Arbeitsanweisungen dürfen nur die Fragen behandeln,
- wer die Diagnostik veranlassen kann, und
- dass die Richtlinien einzuhalten sind.
Anweisungen zur Diagnostik selbst dürfen die Arbeitsanweisungen nicht enthalten, da sonst in die persönliche Verantwortlichkeit der beiden den Hirnfunktionsausfall feststellenden Ärzte eingegriffen würde.
Adressat der Arbeitsanweisungen sind im Übrigen nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik selbst, nicht die auch externen Fachärzte, die die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls dann richtlinienkonform vornehmen.
Für die Diagnostik gilt nur die neue Richtlinie.
Joachim F. Linder
www.transplantationsrecht.eu

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