Pflege-TÜV

Notensystem ist am Ende

Der Pflege-TÜV wird umgekrempelt: Das umstrittene Notensystem soll nächstes Jahr abgeschafft werden, ein neues Bewertungssystem kommt aber nicht vor 2018. Koalitionspolitiker reagieren auf die Pläne des Pflegebevollmächtigten Laumann skeptisch.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bitte die Hand heben! Eine MDK-Gutachterin prüft den Pflegebedarf einer Seniorin.

Bitte die Hand heben! Eine MDK-Gutachterin prüft den Pflegebedarf einer Seniorin.

© Anja Krüger

BERLIN. Aus für die Pflegenoten. Das umstrittene Bewertungssystem für Pflegeheime soll zum 1. Januar ausgesetzt werden. Eine entsprechende Regelung hat der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Karl Josef Laumann (CDU) am Mittwoch angekündigt.

Zu Beginn des kommenden Jahres soll zunächst ein Pflegequalitätsausschuss errichtet werden, der bis Ende 2017 ein neues Qualitätsprüfungs- und Veröffentlichungssystem ausarbeiten soll. Laumann schlägt vor, den Ausschuss beim Pflegebevollmächtigten anzusiedeln.

Bis die Änderungen greifen, sollen die Prüfergebnisse des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen weiter veröffentlicht werden. "Die Pflegenoten sind gescheitert", sagte Laumann der "Ärzte Zeitung".

Das sei auch nicht mehr reparierbar. Deshalb müsse das Notensystem ausgesetzt werden.

GKV-Spitzenverband soll Form liefern

Statt der wenig aussagefähigen Gesamtnoten soll spätestens ab kommendem Januar eine Kurzzusammenfassung der Prüfergebnisse auf dem Deckblatt der Prüfberichte stehen.

Der GKV-Spitzenverband soll bis Ende dieses Jahres eine Form für diese Kurzfassung entwickeln, um die Ergebnisse vergleichbar zu machen.

Pflegebedürftige und Angehörige bräuchten verlässliche Informationen. "Der bisherige Pflege-TÜV leistet das nicht und sorgt eher für Verunsicherung", sagte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Er sei sich mit Laumann einig, dass eine Umstellung am besten schrittweise erfolgen solle.

Grund für die Reform sind erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der Pflege-Noten. Der bundesweite Durchschnitt der meist auf der ersten Seite des MDK-Prüfberichts veröffentlichten Noten liegt derzeit bei 1,3.

Die Spitzennoten kommen zustande, weil pflegerische Mängel zum Beispiel durch gute Küche und Freizeitangebote ausgeglichen werden können.

Erst im Februar war in Bonn ein Pflegeheim wegen unhaltbarer Pflegemängel geschlossen worden, das mit einer Einser-Note für sich werben konnte.

Auch Patientenvertreter und Verbände im Ausschuss

In dem von Laumann vorgeschlagenen Ausschuss sollen die Vertreter der Heime und der Pflegekassen nicht unter sich sein. Patientenvertreter und Berufsverbände der pflegekräfte sollen mit Stimmrecht in dem Gremium vertreten sein, hat Laumann angekündigt.

Beratend sollen auch die kommunalen Spitzenverbände und der MDS mitwirken. Unterstützung soll der neue Ausschuss durch ein neu zu gründendes Pflegequalitätsinstitut erhalten, in dem unabhängige Wissenschaftler arbeiten sollen.

"Ein neues System lässt sich nicht übers Knie brechen", sagte Laumann der "Ärzte Zeitung". In rund 240 Einrichtungen wird derzeit bereits das Modell des Bielefelder Pflegewissenschaftlers Dr. Klaus Wingenfeld erprobt.

Parameter für aussagefähige Vergleiche seien daraus aber auch noch nicht entwickelt worden, sagte Laumann. Dass die MDK-Ergebnisse nun weiter veröffentlicht würden, schaffe Luft, bis Ende 2017 ein neue s Verfahren auf den Markt zu bekommen.

"Herr Laumann trifft leider keine Aussagen dazu, wie die Pflegequalität in Zukunft besser an der wirklichen Ergebnisqualität ausgerichtet werden kann", reagierte die pflegepolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis auf die Vorschläge.

Mattheis äußerte Zweifel daran, ob der geplante Ausschuss tatsächlich beim Pflegebevollmächtigten angesiedelt sein solle. Offen sei auch, wer die Pflegebedürftigen und Pflegeberufe vertreten könne.

"Politik sollte mal öfter wieder selbst entscheiden"

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), hob ebenfalls auf den Primat der Politik ab. Es sei gut, wenn die Ergebnisse der MDK-Prüfungen verständlich aufgearbeitet und nach Kriterien sortiert veröffentlicht würden.

Aber: "Immer neue Gremien und Institute der Selbstverwaltung zu schaffen, braucht es aus meiner Sicht nicht. Politik sollte einfach mal öfter wieder selbst entscheiden", sagte Spahn.

Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Jürgen Graalmann, vermisste Aussagen zur künftigen Pflegequalität in Laumanns Vorschlägen. Er warnte davor, im Zuge einer Neuordnung hinter die erreichten Qualitätsstandards zurückzufallen.

Ratsuchende bräuchten auch in der Übergangszeit Orientierungshilfen.

Das Zentrum für Qualität in der Pflege, eine Einrichtung der privaten Assekuranz, empfiehlt die Entwicklung einer Basis-ScoreCard mit einer "fundierten Auswahl" aussagekräftiger verbraucherrelevanter Datender Pflegeangebote.

Zusätzlich sollte es KO-Kriterien geben, wenn Pflegestandards hinter vorgegebenen Qualitätsfestlegungen zurückblieben, hieß es aus dem ZQP.

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