Berlin

Notstand in größter Notaufnahme

In Neukölln suchen drei Mal mehr Patienten die Rettungsstelle auf als ursprünglich geplant. Der Ausbau scheitert bisher am Geld.

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BERLIN. Die Rettungsstelle des Vivantes Klinikums Neukölln platzt aus allen Nähten. Die ursprünglich für 25.000 Patienten konzipierte Notaufnahme wird bereits seit Jahren von rund dreimal so vielen Patienten aufgesucht.

Für eine Erweiterung fehlt jedoch das Geld. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage des Neuköllner SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hervor.

"Die Bedingungen sind eine Zumutung für Patienten und Mitarbeiter", so Langenbrinck zur "Ärzte Zeitung". 2003 wurde die Notaufnahme in Neukölln zwar erweitert.

Doch seitdem stiegen die Patientenzahlen stetig weiter. Im vergangenen Jahr zählte der größte kommunale Klinikkonzern dort knapp 77.000 Patienten. Davon kamen knapp 23.000 mit dem Rettungswagen.

Nach Auskunft von Gesundheitsstaatssekretärin Emine Demirbüken-Wegner bestätigt Vivantes, dass die Kapazitäten der Notaufnahme nicht ausreichen.

Der Konzern hat den Angaben zufolge bereits eine Bauplanung für den Standort vorgelegt. Die Investitionskosten werden auf 150 Millionen Euro geschätzt. Dabei habe der Erweiterungsbau Priorität.

Auch der Senat sei der Ansicht, dass Vivantes die Kapazitäten der Rettungsstelle in Neukölln anpassen müsse, so Demirbüken-Wegner.

Er stellt über die pauschale Investitionsförderung jedoch in den nächsten Jahren jeweils nur rund 110 Millionen Euro für alle Krankenhäuser in der Hauptstadt zur Verfügung. "Die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH prüft die Möglichkeit der Bereitstellung von Eigenmitteln", berichtet Demirbüken-Wegner.

Vor diesem Hintergrund kritisiert Langenbrinck die Investitionsfinanzierung von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU).

"Es erschließt sich mir nicht, wie Czaja im Wissen, dass die dringend notwendige Erweiterung des Krankenhauses rund 150 Millionen Euro kosten wird, nur 109 Millionen Euro für 2016 und 111 Millionen Euro für 2017 an Investitionspauschalen in seinem Haushaltsentwurf eingeplant hat", so Langenbrinck.

Im Berliner Süd-Osten sei das Krankenhaus die erste Anlaufstelle für fast 600.000 Menschen. Die Rettungsstelle wird berlinweit am häufigsten aufgesucht. (ami)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 14.09.201515:24 Uhr

Fehldisposition, Fehlallokation und Fehldistribution!

Die Rettungskette ist nicht mehr fach- und sachgerecht: Im Mittelpunkt steht der durchaus versorgungs-bedürftige Patient, egal ob gesetzlich- oder privatversichert, der aber auf Grund seiner Symptomatik intellektuell mehr oder weniger plausibel, überfordert bzw. unreflektiert tagsüber und nachts jeden x-beliebigen Dienstleister im Gesundheits- und Krankheitswesen anrufen kann. Die Rettungskette wird jedoch in vielen Einzelfällen auch willkürlich in Anspruch genommen, o h n e auf irgendeinen fachlich-ärztlichen Rat hören zu müssen.

Es wäre vorrangig Aufgabe der GKV- und Privatkassen, ihre Versicherten darüber aufzuklären, wie man sich bei der Inanspruchnahme von ärztlichen und rettungstechnischen Hilfen verhalten sollte. Aber stattdessen gibt es nur den die eigene Verantwortung abschiebenden Rat: "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie...und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker".

1. Einfache Hilfsmittel sind die Inanspruchnahme von Laienhelfern, Nachbarn, Freunden, Familie, Apotheken und dem medizinisch versierten Bekanntenkreis: z. B. bei Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Durchfall, Husten, Rhinitis und Erkältungen, unkomplizierten Prellungen und Verstauchungen etc.

2. Alles, was sinnvollerweise einen Arztpraxis-Besuch beim Haus- oder Facharzt erfordert, kann der vertragsärztliche Notdienst (ZND) mit seiner Tag- und Nacht-Bereitschaft bei Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit (!) auch außerhalb der Sprechstundenzeiten in der Notfallpraxis differenzialdiagnostisch ("choosing wisely") entscheiden.

3. Der ZND ist ebenfalls aufzusuchen oder veranlasst einen ärztlich indizierten Hausbesuch, wenn begründete Zweifel bestehen, ob die Rettungskette wirklich ausgelöst werden muss.

4. Nur in wirklich akuten Fällen, also n i c h t bei 4 Wochen langen, banalen Rückenschmerzen oder verschleppter Raucherbronchitis bzw. Geh-Einschränkung und -Behinderung, wäre ein Krankenwagentransport (KTW/RTW) erwägenswert, aber der führt vorschriftsmäßig geradewegs in die nächste Klinik/Rettungsstelle.

5. Für akute, lebensbedrohliche Zustände mit Atemnot, Herzschmerzen, Schlaganfall, Krampfanfall, Koliken, Darm- oder Gefäßverschluss, Lungenembolie, Kreislaufkollaps, Herzstillstand oder akuten, schweren Verletzungen stehen Notarztwagensysteme (NAW) mit Rettungssanitätern und Notarzt meist im Rendezvous-Verfahren zur Verfügung.

Wird der schnellste und dringlich erforderliche Teil der Rettungskette (NAW) völlig unangemessen und o h n e ärztliche Beratungsunterstützung von den Krankenversicherten missbraucht, werden damit den tatsächlich interventionsbedürftigen, schwerkranken Patienten die Rettungsmittel entzogen bzw. deren Versorgung gefährdet. Die Mitarbeiter von Feuerwehren, DRK u. a. Trägern der Personenrettung werden durch häufige und manchmal vorsätzliche Fehlalarme demotiviert und in ihrem positiven Leistungsbild eingeschränkt.

Wenn im vergangenen Jahr in der Rettungsstelle des Vivantes Klinikums Neukölln knapp 77.000 Patienten behandelt werden mussten und davon knapp 23.000 mit dem Rettungswagen eingeliefert wurden, kann etwas mit der Anspruchs- und Erwartungshaltung der Rat- und Hilfesuchenden nicht stimmen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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