USA

"Obamacare" steht auf der Kippe

Das wichtigste politische Projekt Barack Obamas steht erneut vor Gericht. Und diesmal könnte die "Obamacare" tatsächlich gekippt werden - denn die Klage gegen die Gesundheitsreform hat Erfolgschancen.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:
Der Widerstand gegen die US-Gesundheitsreform war und ist groß.

Der Widerstand gegen die US-Gesundheitsreform war und ist groß.

© UPI / Kevin Dietsch / Landov / dpa

WASHINGTON. Es will kein Ende nehmen: Die amerikanische Gesundheitsreform "Obamacare" befindet sich wieder einmal vor dem Obersten Gerichtshof.

Diesmal geht es darum, ob staatliche Zuschüsse zu Krankenversicherungsbeiträgen für bestimmte Amerikaner mit niedrigen bis mittleren Einkommen zulässig sind.

Zur Erinnerung: Die 2010 verabschiedete Reform enthält eine Versicherungspflicht für die meisten US-Amerikaner. Um den Kauf einer Krankenversicherung erschwinglich zu machen, subventioniert die Regierung viele Policen - und zwar für diejenigen mit geringen oder mittleren Einkommen, die ihre Versicherung auf eigene Faust über den neuen Online-Versicherungsmarkt erstehen.

Die Crux: Ursprünglich war geplant, dass die meisten oder alle Bundesstaaten ihre eigenen digitalen Versicherungsmärkte aufbauen würden. Aufgrund politischer Opposition der Reform gegenüber entschieden sich aber eine ganze Reihe von Bundesstaaten dagegen.

Das Gesetz sah vor, dass in Bundesstaaten, die keine eigene Website unterhalten, die Bundesregierung mit ihrer Versicherungsbörse einspringen würde. In 34 Bundesstaaten ist das heute der Fall. Nur 16 haben ihre eigene Online-Börse.

Ein einziger Satz

Die Klage vor dem Gerichtshof konzentriert sich auf einen einzigen Satz in dem fast 1000-seitigen Reformgesetz. Dort heißt es, dass Zuschüsse denen gewährt werden, die ihre Versicherungspolicen in "vom Bundesstaat eingerichteten Versicherungsbörsen" erstehen.

Nach dem Argument der Kläger schließt diese Formulierung all die 34 Bundesstaaten aus, in denen die Bundesregierung mit ihrer zentralen Versicherungsbörse einspringen musste.

Vom Steuerzahler finanzierte Zuschüsse seien dort nicht rechtmäßig, wo keine Versicherungsbörse durch den jeweiligen Bundesstaat unterhalten werde, so heißt es in der Klage.

Obamas Anwaltsteam tritt am Mittwoch mit dem Argument an, dass es eindeutige Absicht des Gesetzes war, allen bedürftigen Landsleuten Zuschüsse zukommen zu lassen und dass ein unglücklich formulierter Satz nicht in der Lage sein sollte, ein Kernelement der Reform auszuhebeln.

Viele Rechtsexperten halten die Klage, die von vier erklärten "Obamacare"-Gegnern durch die Instanzen gepeitscht wurde, für absurd.

Denen, die sie ursprünglich nicht ernst nahmen, verging aber das Lachen, als der Oberste Gerichtshof sich Anfang November bereit erklärte, den Fall anzunehmen.

Gerichtshof ist gespalten

Wie gespalten der Gerichtshof in Sachen "Obamacare" ist, zeigte sich schon vor rund drei Jahren, als es um die Frage ging, ob die Regierung jene finanziell bestrafen dürfe, die sich weigern, sich gegen Krankheit zu versichern.

Damals hatten die Richter mit fünf zu vier Stimmen für die Rechtmäßigkeit der "neuen Steuer" abgestimmt. Zünglein an der Waage war damals der Vorsitzende John Roberts, der eigentlich als eher konservativ eingeschätzt wird.

Jetzt steht für die "Obamacare" wieder viel auf dem Spiel: Laut Regierung qualifizieren sich 80 bis 90 Prozent der Käufer auf dem neuen Online-Versicherungsmarkt für die staatlichen Finanzhilfen.

Nach Schätzungen betrug der durchschnittliche Zuschuss 5548 US-Dollar (rund 4959 Euro) jährlich - was 67 Prozent der Kosten für eine durchschnittliche Familienversicherung entsprach.

Sollte der Gerichtshof zugunsten der Kläger entscheiden, würden bis zu acht Millionen Menschen die Finanzhilfen, die eine Krankenversicherung für sie erschwinglich machen, verlieren.

Die Entscheidung der obersten Richter wird erst im Juni erwartet. Bis dahin bleibt das Ringen um Obamacare ein Zitterspiel.

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