PID-Befürworter überzeugten die Unentschlossenen

Am Ende waren alle erleichtert, dass die Entscheidung gefallen war. Präimplantationsdiagnostik ist künftig in Ausnahmefällen erlaubt. Nach einer Mammutdebatte gab es erlösenden Beifall sogar von den Gegnern.

Veröffentlicht:
Bundestag gibt grünes Licht für den Einsatz der Präimplantationsdiagnostik in Ausnahmefällen.

Bundestag gibt grünes Licht für den Einsatz der Präimplantationsdiagnostik in Ausnahmefällen.

© Kappeler / dpa

BERLIN (sun/af). Es war ein emotional geführter Schlagabtausch im Plenarsaal des Bundestages. Knapp vier Stunden lang wägten die Abgeordneten Für und Wider der Präimplantationsdiagnostik (PID) ab.

Die PID-Abstimmung in Zahlen

Schon im ersten Wahlgang nach der zweiten Lesung hat sich der Antrag der FDP-Abgeordneten Ulrike Flach mit 306 Stimmen durchgesetzt. 228 Stimmen wurden für einen Antrag abgegeben, der ein PID-Verbot vorsah. Der als "Kompromissantrag" bewertete Vorschlag von René Röspel (SPD) erhielt 58 Stimmen. Ein Abgeordneter stimmte gegen alle Anträge, drei enthielten sich. Wie vorher per Geschäftsordnung festgelegt, mussten die Abgeordneten trotz Mehrheit im ersten Wahlgang noch einmal namentlich über den Gesetzesvorschlag von Ulrike Flach entscheiden. Dabei stimmten 326 Abgeordnete mit "ja", 260 Abgeordneten votierten dagegen. Es gab acht Enthaltungen. (bee)

Dabei kam es zu sehr persönlichen Momenten: Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn warb unter tränenerstickter Stimme für die Zulassung von Gentests an Embryonen. Er selbst sei "der glücklichste Vater der Welt", sagte Bockhahn. Dieses Glück wünsche er auch allen anderen.

Am Ende hat sich der Bundestag für eine Zulassung der PID entschieden. Selbst die Anhänger eines Verbots fielen in den folgenden Beifall ein. Damit dürfen Paare nun die Methode nutzen, wenn aufgrund ihrer genetischen Veranlagung eine schwerwiegende Erbkrankheit beim Kind oder eine Tot- oder Fehlgeburt wahrscheinlich ist.

Vier Stunden Debatte und knapp 40 Redebeiträge

Die fast 40 Redebeiträge der Parlamentarier belegten, dass sich die Haltungen für und wider die PID in dieser Frage quer durch alle Fraktionen und Weltanschauungen im Parlament ziehen. Viele Abgeordnete beriefen sich in ihren Beiträgen auf ihr christliches Menschenbild als Argument für oder gegen die PID.

Aus den Beiträgen sprach durchgehend der Respekt vor der Haltung der Gegenseite. Es gab kaum Zwischenrufe, keine Rückfragen, durchaus aber Kopfschütteln, warb ein Redner zu emotional für seine Ideologie.

CDU-Politiker Michael Kretschmar sprach sich dafür aus, Ärzten einen Vertrauensvorschuss zu geben. "Wir dürfen Mediziner und Wissenschaftler nicht in den Verdacht bringen, sie gingen leichtfertig mit dem Thema um", so Kretschmer, der sich für die Zulassung der PID in engen Grenzen aussprach. Er wolle eine widerspruchsfreie, konsistente Lösung.

Gegner: PID steht im Widerspruch zur PND

Mit zwei Kernargumenten versuchten die Redner, die rund 180 unentschlossenen Abgeordneten auf ihre jeweilige Seite zu ziehen.

Erstens: Ein Verbot der PID stehe im Widerspruch zur Haltung des Parlaments zur Pränataldiagnostik, aufgrund derer Kinder in Ausnahmefällen noch bis kurz vor den Geburtstermin abgetrieben werden könnten. Zweitens: Die Zulassung der PID stehe im Widerspruch zum Embryonenschutz- und zum Gendiagnostikgesetz.

Das Embryonenschutzgesetz lässt für die In vitro Fertilisation die Erzeugung von lediglich drei befruchteten Eizellen zu. Die PID benötigt nach Aussagen zahlreicher Fachleute aber mindestens acht Embryonen oder sogar deutlich mehr.

PID-Gegnerin Angela Merkel (CDU) gibt ihre Stimme ab.

PID-Gegnerin Angela Merkel (CDU) gibt ihre Stimme ab.

© Kumm / dpa

Das Gendiagnostikgesetz verbietet die Untersuchung auf spätmanifestierende Krankheiten. Eine Zulassung der PID stehe dazu im Widerspruch, sagte CDU-Politiker Rudolf Henke.

Kritiker sehen die Gefahr von Designerbabys

Gleich eingangs der Debatte warnte CSU-Politiker Wolfgang Zöller vor den Möglichkeiten, mittels PID Babies am Reißbrett zu entwerfen. "Ich will in keiner Gesellschaft leben, in der Eltern sich entschuldigen müssen, wenn sie kein Musterbaby vorweisen können", sagte der Patientenschutzbeauftragte der Bundesregierung, der gegen die Zulassung der PID sprach.

Die Befürworter der PID schafften es nicht, den in ihrem Gesetzentwurf Begriff "schwerwiegende Erkrankungen" zu definieren, warnte Rene Röspel (SPD), der gemeinsam mit Abgeordneten aller Fraktionen den Kompromissantrag für eine PID in ganz engen Grenzen vorgelegt hatte.

Diesen Gedanken griffen zahlreiche Redner auf. Wenn die PID zugelassen werde, würden Behinderte aus der Gesellschaft verschwinden, warnten sie.

Carola Reimann (SPD) wandte sich wie viele andere dagegen, Eltern diese Absicht überhaupt zu unterstellen: "Der Gedanke ist absurd, dass sich Frauen freiwillig den Verfahren der künstlichen Befruchtung aussetzen, um ein genetisches Merkmal auszuwählen". Dies sei eine Form der Verleumdung, die der Konfliktsituation betroffener Paare nicht gerecht werde.

Lesen Sie dazu auch: PID: Montgomery verspricht verantwortungsvolle Praxis PID-Debatte: Schlagabtausch und Tränen

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025