Senioren
Pflege-WGs kommen nicht gut an
Die Regierung fördert neue Wohnformen für Pflegebedürftige mit einem Budget von 30 Millionen Euro. Doch es gibt nur wenige, die das Angebot nutzen. Warum, das haben Experten beim DAK-Pflegetag erklärt.
Veröffentlicht:BERLIN. Es klingt wie eine Utopie: Pflegebedürftig sein, zu Hause wohnen und den Stadtteil oder das Dorf nicht verlassen zu müssen, in dem man Familie, Freunde und den langjährigen Hausarzt hat. Möglich macht das etwa eine Senioren-Wohngemeinschaft.
Unterstützen wollen die Regierungen solche modernen Wohnformen seit geraumer Zeit. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag versprechen Union und SPD mehr Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen wie für ambulant betreute Wohnformen.
Doch bei den Betroffenen ist das Interesse bislang gleich Null. Für die Förderung von Wohnprojekten für Pflegebedürftige hatte schon die schwarz-gelbe Regierung 30 Millionen Euro bereitgestellt.
"Schätzungsweise 200.000 Euro wurden bis jetzt für solche Projekte abgerufen", berichtet Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen, beim Pflegetag der DAK Gesundheit am Dienstag in Berlin. Die Politiker hätten das Potenzial solcher Projekte nicht richtig abgeschätzt.
Pflege-WGs sind Mittelstandsphänomene
Die Realität in der Organisation von Pflegeleistungen sehe heute anders aus. Wohngemeinschaften für pflegebedürftige Senioren und Mehrgenerationenhäuser seien in erster Linie Mittelstandphänomene, sagte Klaus-Werner Pawletko vom Verein Freunde alter Menschen.
Das bedeutet: Nur Menschen, die ausreichend Wissen und Geld haben, gehen solche Projekte heute schon an. Das kann zum Beispiel heißen, schon heute beim Hausbau darauf zu achten, dass einmal mehrere Generationen, gesunde und pflegebedürftige, unter einem Dach wohnen sollen.
Pawletko kennt sich mit der Materie aus. Er berät Menschen im Alter rund um das Thema Demenz-Wohngemeinschaften. Diese Voraussicht ist noch selten.
Die Frage nach der Pflege im Alter stelle sich die Mehrzahl der Bürger erst dann, wenn sie bereits pflegebedürftig sei, weiß Pawletko. Dann aber fehle es häufig bereits an der Fähigkeit, sich im Gesundheitssystem orientieren zu können.
Bei vielen sei die Hemmschwelle, sich im Herbst des Lebens auf eine Senioren-WG einzulassen, nicht ausgeprägt. Dies liegt auch an fehlender Information.
Pawletko weiß aus der Praxis, dass sich viele vor einer solch weitreichenden Entscheidung mehr Beratung und Hilfestellung wünschen.
Kommunen sind in der Pflicht
An dieser Stelle sollen die Länder und Kommunen künftig wieder stärker ihrer Verantwortung gerecht werden, forderte der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit Professor Herbert Rebscher.
Sie sollten ihren Beitrag zu einer Re-Kommunalisierung von Pflegeangeboten leisten, sagte Rebscher genau 20 Jahre nach der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung. Damals hatten sich die Städte, Kreise und Gemeinden allmählich aus der Zuständigkeit für Pflege zurückgezogen.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), hatte sich bereits ähnlich geäußert. Im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" hatte er sich davon überzeugt gezeigt, dass die Kommunen in wenigen Jahren den senioren- und pflegegerechten Umbau der Wohnumfelder zu einem Schwerpunkt erheben würden.
Dies komme, sobald die Kommunen die Vorgaben für die Kinderbetreuung umgesetzt hätten.