Anhörung vor dem Supreme Court

Recht auf Abtreibung in USA in Gefahr

Die Entscheidung Roe v. Wade polarisiert in den USA – sie regelt das Recht auf Abtreibung. Konservativen ist das Urteil seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge. Nun könnte es tatsächlich kippen.

Von Julia Naue Veröffentlicht:
Abtreibungsgegner in Mississippi (USA).

Frauen, die das „Rosa Haus“ betreten, einer staatlich zugelassenen Abtreibungsklinik in Jackson, Mississippi, sehen sich regelmäßig dem Protest von Abtreibungsgegnern ausgesetzt.

© Rogelio V. Solis / dpa

Washington. Das Oberste Gericht der USA will sich an diesem Mittwoch mit einem Versuch befassen, das aktuelle Recht auf Abtreibung massiv einzuschränken. Die Richterinnen und Richter des Supreme Court wollen ab 16 Uhr MEZ Argumente in einem Fall aus dem Bundesstaat Mississippi hören.

Die Bedeutung des Falls geht aber weit über den Staat im Süden des Landes hinaus: Die Entscheidung des Gerichts könnte zur Folge haben, dass konservative Bundesstaaten Abtreibungen strikt einschränken oder verbieten. Die Gefahr, dass das Recht auf Abtreibung beschnitten werden könnte, scheint so groß wie selten zuvor – unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist der Supreme Court deutlich nach rechts gerückt.

Nach einem Grundsatzurteil von 1973 sind Abtreibungen in den USA bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Die Entscheidung, die als Roe v. Wade bekannt ist, gilt als Meilenstein. Im Fall Planned Parenthood v. Casey entschied das Gericht 1992, dass Staaten die Möglichkeit von Frauen, eine Abtreibung in Anspruch zu nehmen, nicht unangemessen erschweren dürfen. Es dürfe keine unzumutbare Belastung geben. Befürworterinnen und Befürworter des Rechts auf Abtreibung fürchten, dass der Supreme Court diese Entscheidungen kippen könnte.

In Mississippi nur eine einzige Abtreibungsklinik offen

Hintergrund ist ein Gesetz aus Mississippi, das fast alle Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche verbietet. Niedrigere Instanzen hatten zuvor entschieden, dass das Gesetz nicht mit dem Grundsatzurteil Roe v. Wade vereinbar sei. Der konservativ regierte Bundesstaat hatte daraufhin das Oberste Gericht der USA angerufen, den Fall zu überprüfen. Für Beobachter ist es dabei schon überraschend, dass der Supreme Court sich überhaupt des Falls annimmt. In Mississippi ist aktuell nur eine einzige Abtreibungsklinik geöffnet – das Pink House in der Hauptstadt Jackson. Vor der Klinik kommt es regelmäßig zu massiven Protesten – Frauen werden belästigt und von Freiwilligen beschützt.

§219a StGB: Die aktuelle Entwicklung in Deutschland

Eine Entscheidung des Supreme Court in dem Fall wird erst im kommenden Jahr erwartet. Diese könnte aber schwerwiegende Konsequenzen für Schwangere haben. Die Richterinnen und Richter könnten entscheiden, dass ein Fötus schon vor der 24. Woche lebensfähig ist. Oder sie könnten Lebensfähigkeit anders definieren. Sie könnten auch die Frage, was eine unzumutbare Belastung ist, großzügig auslegen. Im schlimmsten Fall könnte das Gericht auch die Entscheidungen der Vergangenheit komplett kippen und es somit allein den Bundesstaaten überlassen, wie sie ihr Abtreibungsrecht regeln.

Einige Staaten haben bereits Gesetze vorbereitet, die sofort in Kraft treten könnten. Es sind vor allem die erzkonservativen Staaten im Süden und mittleren Westen, die Abtreibung ganz oder fast komplett verbieten wollen.

Konservative Mehrheit ausgebaut

Das oberste Gericht stellt mit seinen Entscheidungen zu besonders strittigen Themen wie Abtreibung, Einwanderung oder gleichgeschlechtliche Ehen immer wieder wichtige Weichen für die US-Gesellschaft. Während Trumps Amtszeit wurde mit den Nachbesetzungen auf der Richterbank die konservative Mehrheit an dem Gericht auf sechs der neun Sitze ausgebaut. Besonders im Fokus stand nach dem Tod der liberalen Justiz-Ikone Ruth Bader Ginsburg der Neuzugang Amy Coney Barrett. Barrett tritt seit Jahrzehnten als überzeugte Katholikin in Erscheinung.

Erst vor wenigen Wochen hatte sich das Gericht mit einem Fall zum Abtreibungsrecht in Texas befasst. Das sogenannte Herzschlag-Gesetz aus Texas verbietet Abtreibungen, sobald der Herzschlag des Fötus festgestellt worden ist. Das kann schon in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall sein. Viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass sie schwanger sind. Bei der Anhörung vor dem Supreme Court Anfang November ging es aber nur indirekt um die Frage des Rechts auf Abtreibung. Vielmehr standen technische Fragen – etwa wie die Regelung entworfen ist – im Vordergrund. (dpa)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Ein Medikament unter vielen, das wenigen hilft? 2400 Wirkstoff-Kandidaten in der EU haben den Orphan-Drug-Status.

© artisteer / Getty Images / iStock

Wirkstoff-Kandidaten mit Orphan-Drug-Status

Orphan Drugs – Risiken für ein Modell

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa)
Der Kampf gegen HP-Viren ist ein Schwerpunkt der Initiative Vision Zero.

© Pornpak Khunatorn / Getty Images / iStock

Welt-HPV-Tag

Krebs verhindern: Jugend gegen HPV impfen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Vision Zero e.V.
Ein junges Mädchen wird geimpft – gegen HPV? (Symbolbild mit Fotomodellen)

© milanmarkovic78 / stock.adobe.com

Vision Zero Onkologie

Die Elimination des Zervixkarzinoms

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Vision Zero e.V.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025