Innovationen
Regelungsmischmasch führt zu "Tunneldenken"
Auf Bundesebene wird der Zusatznutzen ermittelt, Ärzte werden vor Ort mit Regressen gemaßregelt. Das passt nicht zueinander, hieß es bei einer Diskussionsveranstaltung des vfa. Politiker warnten vor dem zu engen Fokus auf die Kosten.
Veröffentlicht:MONHEIM. Die verschiedenen regulatorischen Maßnahmen im Arzneimittelbereich müssen besser aufeinander abgestimmt werden, fordert die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) Birgit Fischer.
"Es gibt kontraproduktive Unstimmigkeiten zwischen den bundesweiten und den regionalen Vorgaben", sagte Fischer auf einer Diskussionsveranstaltung des vfa beim Unternehmen UCB in Monheim.
"Es macht keinen Sinn, regionale Regresse für Ärzte aufrechtzuerhalten, wenn es auf der Bundesebene eine Bewertung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels gegeben hat." Wenn Krankenkassen und Hersteller nach der frühen Nutzenbewertung einen Preis für ein Arzneimittel aushandeln, dann sei es als wirtschaftlich anzusehen, sagte sie.
Die Fortschreibung der Regresse sei innovationsfeindlich. "Wir brauchen Ärzte, die Risiken und Chancen für die Patienten abwägen." Das werde durch die Drohung mit Regressen gefährdet, warnte die vfa-Chefin.
Es werde bereits deutlich, dass die Potenziale für Patienten, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bei der frühen Nutzenbewertung für Arzneimittel sieht, nur zu einem ganz geringen Teil ausgeschöpft werden.
Fischer kritisierte auch, dass die frühe Nutzenbewertung zu sehr auf die Wirkstoffe abziele. Neue Darreichungsformen bei Arzneimitteln, die mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität für die Patienten verbunden sind, würden nicht als Zusatznutzen gewertet. "Es gibt keinen Anreiz mehr für Unternehmen, in diese Richtung zu forschen."
Auch Peter Mitterhofer, Geschäftsführer von UCB Zentraleuropa, plädierte dafür, das "Tunneldenken" bei der Nutzenbewertung zu beenden und den Blick zu erweitern. "Es ist nicht richtig, dass Dinge, die man nicht messen kann, keine Relevanz haben." Die Unternehmen bräuchten Anreize, um innovativ zu arbeiten, sagte er.
Grundsätzlich müsse die Politik für die Pharmaindustrie wieder verlässlicher werden, etwa wenn es darum geht, die hohen Entwicklungskosten für ein Arzneimittel wieder einspielen zu können. "Wir würden uns mehr Sicherheit und Stabilität wünschen", betonte Mitterhofer.
Ziel: Attraktiver Forschungsstandort
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hält Nachbesserungen am AMNOG für notwendig. "Wir müssen wieder attraktiver werden als Forschungs- und Innovationsstandort", sagte er.
Deutschland müsse sich fragen, ob es weltweiter Wachstumstreiber in der Pharmaindustrie sein oder der Entwicklung nur zuschauen wolle. Der Politiker plädierte für eine andere Zusammensetzung des GBA. Er wurde zwar nicht konkret - offenbar haben aber seiner Einschätzung nach zurzeit die Kassen einen zu großen Einfluss.
Die Gesellschaft und zuvorderst die Politik bräuchten ein innovationsfreundlicheres Klima, sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU im nordrhein-westfälischen Landtag Armin Laschet.
"Ich würde mir wünschen, dass die zuständigen Gremien nicht nur die reinen Kosteneffekte im Blick haben, sondern auch die volkswirtschaftlichen." Ebenso wie Minister Duin hält Laschet eine steuerliche Forschungsförderung für sinnvoll.
Investitionen in die Forschung seien wichtig, betonte auch der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der seinen Wahlkreis in Monheim hat. "Ich habe den Eindruck, dass wir einen Nachholbedarf gegenüber anderen Ländern haben."
Eine Förderung könne es nicht nur für eine Branche geben, sondern sie müsse dann für alle gelten, die in Forschung und Entwicklung tätig sind. Das Problem: "Das muss refinanziert werden", sagte der Politiker.
Die steuerliche Förderung der Forschung müsse entweder über höhere Steuern für alle bezahlt werden, oder an anderer Stelle müssten Abstriche gemacht werden. Er mahnte eine gesellschaftliche Debatte über die Verteilung der vorhandenen Mittel an.
"Wir werden entscheiden müssen, was uns wichtig ist und was weniger. Wir müssen uns Verteilungskonflikten stellen", sagte Steinbrück. Dazu seien aber weder die Politik noch die Bürger wirklich bereit. (iss)