Weniger Kinderkliniken
Regierung sieht für Kinder keine Gefahr der Unterversorgung
Die Zahl der Kinderkrankenhäuser und Fachabteilungen sinkt seit Jahren. Die Regierung hält trotzdem die flächendeckende stationäre Versorgung für gesichert.
Veröffentlicht:Berlin. Die Zahl der Kinderstationen ist in Deutschland zwischen 1991 und 2017 erheblich gesunken. Zählte das Statistische Bundesamt 1991 noch 539 Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin, waren es 2017 nur noch 444.
Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Betten auf diesen Stationen von 35.160 auf 20.331 zurück. Erhöht hat sich dagegen die Zahl der Intensivbetten von 2560 auf 2924.
Ebenfalls gestiegen sind die Behandlungsfälle, von knapp 1,05 Millionen auf über 1,2 Millionen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor.
Abgenommen hat auch die Zahl der examinierten Kinderkrankenpflegekräfte. Registrierte das Statistische Bundesamt 1996 noch knapp 42.000 Pflegekräfte waren es 2017 weniger als 38.000.
Da in dieser Zeit die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit gestiegen sein dürften und keine Vollzeitäquivalente erfasst werden, wird der Rückgang an Arbeitsstunden hier stärker ausfallen, als es die absoluten Zahlen ausdrücken.
Auslastung deutlich unter 70 Prozent
Doch trotz dieser Daten sieht die Bundesregierung keine Gefahr einer Unterversorgung für Kinder und Jugendliche. So weise das Statistische Bundesamt für 2017 insgesamt 18.591 Betten für Kinderheilkunde in 354 Fachabteilungen mit einer durchschnittlichen Auslastung von nur 66,4 Prozent aus sowie 1740 Betten für Kinderchirurgie in 90 Fachabteilungen mit einer Auslastung von 63,3 Prozent.
Zudem hätten 6311 Betten in 147 Fachabteilungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie mit einer Auslastung von 91,7 Prozent zur Verfügung gestanden. Außerdem würde ein großer Teil der Erkrankungen von Kindern ambulant behandelt.
Nach Berechnungen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung konnten im Jahr 2018 12,9 Millionen Kinder und Jugendliche – insgesamt 95,2 Prozent – innerhalb von 40 Minuten Fahrzeit mit dem Auto ein Kinderkrankenhaus oder eine Fachabteilung erreichen.
Diese Zeitspanne hält die Gesellschaft für Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen (GKinD) für angemessen. Bei den Erwachsenen schaffen es 98,4 Prozent in 30 Minuten in ein Krankenhaus der Grundversorgung.
„Insgesamt ist auf der Grundlage dieser Daten von einer guten, flächendeckenden stationären Versorgung von Kindern und Jugendlichen auszugehen“, heißt es in der Antwort der Regierung.
Personalvorgaben in Perinatalzentren nur schwer einzuhalten
Erhebliche Probleme gibt es allerdings bei den Personalvorgaben für die Level-1-Perinatalzentren. So konnten den Pflegeschlüssel von einer Kinderpflegekraft je intensivtherapiepflichtigem Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm nur 38,1 Prozent der Zentren diese Vorgaben erfüllen. Bei den Level-2-Zentren waren es 95,7 Prozent.
Den Pflegeschlüssel von einer Kinderpflegekraft je zwei intensivüberwachungspflichtigen Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von 1500 Gramm schafften nur 46,9 Prozent der Level-1-Zentren und 95,7 Prozent der Level 2-Zentren.
Die insgesamt eher positiven Einschätzungen der Bundesregierung zeichnen ein Bild, das von Fachgesellschaften nicht geteilt wird. Sie machen sich schon lange Sorgen über die wirtschaftliche Situation der Kinderkliniken und fordern ein Umdenken bei der Finanzierung. So seien die Personalkosten 30 Prozent höher als bei den Erwachsenen und die Vorhaltekosten seien größer, weil in der Kindermedizin viele Leistungen nicht planbar seien.
Die Fixkosten zur permanenten Vorhaltung der erforderlichen Leistungen betrügen zum Beispiel in der Pädiatrie 40 Prozent des Budgets, in der Erwachsenenmedizin dagegen nur 25 Prozent.
Fallpauschalensystem muss überarbeitet werden
Die Lösungsvorschläge reichen dabei von Sicherstellungszuschlägen für Kinderkliniken und Fachabteilungen oder von besseren Anpassungen des Fallpauschalensystems an die Kindermedizin. Von Politikern verschiedener Parteien, die Bandbreite reicht von Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig bis zum CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, wird gar eine Abschaffung des DRG-Systems für die Kindermedizin gefordert.
Bei der nächsten Bundesratssitzung am 18. September will Mecklenburg-Vorpommern eine entsprechende Initiative in die Länderkammer einbringen.