Evaluation der Bundesregierung

Reserveantibiotika in der Tiermast ärgern die Ministerin

Erstmals liegen behördliche Zahlen zum Antibiotikaverbrauch in der deutschen Tiermast vor. Zeitgleich warnt die WHO vor wachsenden Resistenzen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Nach wie vor werden vergleichsweise große Mengen Reserveantibiotika in der Geflügelmast eingesetzt.

Nach wie vor werden vergleichsweise große Mengen Reserveantibiotika in der Geflügelmast eingesetzt.

© Zhu hongjie / dpa

BERLIN. Der Verbrauch von Antibiotika in der Tiermast in Deutschland ist im Sinkflug. Von Mitte 2014 bis Ende 2017 ist die Menge von Antibiotika in der Mast von 298 auf 204 Tonnen im Halbjahr zurückgegangen. Das geht aus einem Bericht von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hervor, den sie am Mittwoch im Bundeskabinett vorgestellt hat.

Die Verringerung geht weitgehend auf die Ferkel- und Schweinemast zurück. Dort sanken die Halbjahreswerte von 202,5 auf 112,4 Tonnen. Nach wie vor werden vergleichsweise große Mengen Reserveantibiotika in der Geflügelmast eingesetzt.

Mit der „Evaluierung des Antibiotikaminimierungskonzeptes“ erfüllt Klöckner (CDU) einen Auftrag aus der 16. AMG-Novelle vom 1. April 2014. Die Ergebnisse lesen sich positiv, betreffen aber nicht den ganzen Tierbestand.

Betrachtet werden die Antibiotikagaben an Ferkel, Schweine, Hühner, Puten, Kälber und Rinder – aber erst ab bestimmten Bestandsgrößen. Ausgewertet worden seien 2,27 Millionen Datensätze der Länder, heißt es nun in dem Bericht. Insgesamt werden in Deutschland rund 750 Millionen Hühner, Schweine und Rinder gehalten.

Die an Tierärzte abgegebene Gesamtmenge an Antibiotika liegt ausweislich eines Berichts der AG Antibiotikaresistenz im Landwirtschaftsministerium höher als die für die sechs genannten Tiergruppen erfassten Mengen. Im Gesamtjahr 2014 waren es noch 1235 Tonnen, 2015 folgten 800 Tonnen, 2016 waren es 742 Tonnen und 2017 noch 733 Tonnen.

In Deutschland sind Pharmaunternehmen und Großhändler seit dem Jahr 2011 dazu verpflichtet, die an Tierärzte abgegebenen Mengen antimikrobieller Substanzen zu erfassen. 2011 waren noch mehr als 1700 Tonnen registriert worden.

Ein Blick auf Details zeigt, dass das Ziel, über die Eindämmung des Verbrauchs in der Tiermast der Resistenzbildung zu begegnen noch weit entfernt ist. Bei Puten und Hühnern setzen die Mastbetriebe 40 Prozent Reserveantibiotika ein. Das sind knapp 25 Tonnen im Jahr. Dieses Ausmaß hält Klöckner für „nicht akzeptabel“. Die Branche sei in der Pflicht zu handeln.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am Mittwoch vor der wachsenden Gefahr der Resistenzbildung gewarnt. In Kliniken träten Bakterien auf, gegen die kein Antibiotikum mehr wirke. Die WHO hat die Antibiotika nun in drei Kategorien eingeteilt.

In der ersten Kategorie benennt sie Mittel, die bei ernsthaften Infektionen eingesetzt werden sollen, in der zweiten solche, die jedes Gesundheitssystem zwar vorhalten, aber nicht immer bei den gängigsten Infektionen verabreichen sollte. In der dritten Kategorie führt sie die Mittel auf, die nur als letzter Ausweg genutzt werden sollen.

In der ersten Kategorie seien vor allem keine Breitbandantibiotika aufgeführt, sondern Medikamente, die gegen spezifische Mikroorganismen wirken, so die WHO. Die Mittel der zweiten und dritten Kategorie müssten sparsamer eingesetzt werden. So könne das Risiko der Entwicklung von Resistenzen verringert werden. So soll auch der Einsatz von Breitbandantibiotika zurückgefahren werden. (mit dpa)

Lesen Sie dazu auch: WHO: Neue Antibiotika-Kampagne gestartet

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der resistente Verbraucher

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