Röslers Reform: Allein gegen alle anderen

Rösler bekennt, mit Applaus habe er für seine Reform nicht gerechnet. Wie auch - es hagelt von allen Seiten Kritik und Änderungswünsche.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Eine Reform mit großem Erklärungsbedarf: Gesundheitsminister Philipp Rösler vor Journalisten.

Eine Reform mit großem Erklärungsbedarf: Gesundheitsminister Philipp Rösler vor Journalisten.

© Metodi Popow / imago

BERLIN. Zufrieden ist niemand mit der GKV-Gesundheitsreform - Kritik prasselt auf Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ein. Doch der hatte anscheinend mit nichts Anderem gerechnet: "Wenn man den Menschen Geld wegnimmt, kann man keinen Applaus erwarten", sagte er kürzlich in Berlin.

Applaus kriegt er auch nicht: dafür aber viele Änderungswünsche an den Plänen zur GKV-Reform, die am Mittwoch im Kabinett auf den Weg gebracht wurden (wir berichteten). Der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Jörg-Dietrich Hoppe, kritisierte, dass lediglich die "Kostendämpfungspolitik der letzten Jahre" fortgesetzt werde. Zudem fehle die Klarstellung des Gesetzgebers, dass Medizinische Versorgungszentren "vorrangig in die Hände von Ärzten" gehörten. Dieses Vorhaben hatte Schwarz-Gelb noch im Koalitionsvertrag angekündigt.

Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, Dr. Berthold Dietsche, wertete den Kabinettsbeschluss "als Affront gegen Hausärzte". "Das ist ein Angriff auf die ambulante hausärztliche Versorgung, die nur mit den Hausarztverträgen langfristig sichergestellt werden kann", so Dietsche. Die AOK Baden-Württemberg betonte, dass die Pläne von "wenig politischer Weitsicht auf bundespolitischer Ebene" zeugten. Die Kasse hatte bereits Anfang der Woche angekündigt, ihren Hausarztvertrag mindestens bis Ende 2015 weiterzuführen. Die Pläne der Koalition sichern den vor dem 22. September geschlossenen Hausarztverträgen einen Bestandsschutz bis Ende 2012 zu.

Die Betriebskrankenkassen nannten es "perfide", dass die gesetzlich Versicherten "ihren eigenen Sozialausgleich über höhere Zusatzbeiträge selbst finanzieren müssen". Der vorgesehene Zuschuss von zwei Milliarden Euro für den Sozialausgleich werde nicht ausreichen. "Automatisch würden dann den Kassen Mittel zur Finanzierung des Sozialausgleichs entzogen", warnt die BKK.

Auch die CSU fordert Nachbesserungen. "Es kann nicht sein, dass auf die bayerischen Patienten höhere Beiträge zukommen, aber die Leistungen möglicherweise sinken", sagte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU).

Der GKV-Spitzenverband kritisierte, dass Honorarsteigerungen für Ärzte und Krankenhäuser auf Kosten der Versicherten und Arbeitgeber gingen. "Niedergelassene Ärzte haben derzeit nach Abzug ihrer Praxiskosten ein Brutto-Einkommen von rund 164 000 Euro", sagte die Vorsitzende des Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. Trotzdem sollten Arbeitgeber und Versicherten zum 1. Januar "tiefer in die Tasche greifen".

Der Vorsitzende des Medi-Verbunds, Dr. Werner Baumgärtner, warf Pfeiffer daraufhin vor, mit falschen Zahlen zu operieren. Der durchschnittliche Umsatz einer Vertragsarztpraxis liege bei rund 200 000 Euro, der Praxisgewinn vor Steuern bei im Schnitt 90 000 Euro - "wobei es auch hier große Unterschiede gibt", sagte Baumgärtner.

Lesen Sie dazu auch: Rösler verteidigt seine Reformpläne

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Kommentare
Uwe Schneider 25.09.201012:01 Uhr

Honorarmaßstäbe

Dr. Baumgärtner meint, der durchschnittliche Umsatz einer Vertragsarztpraxis liege bei rund 200 000 Euro, der Praxisgewinn vor Steuern bei im Schnitt 90 000 Euro. Das ist weniger als von Dr. Pfeiffer behauptet, aber immer noch mehr als viele andere hart arbeitende Selbständige aus akademischen Berufsgruppen im Schnitt erhalten (Architekten, Ingenieure, Rechtsanwälte, ...).

Dr. Thomas Georg Schätzler 23.09.201018:08 Uhr

"Die Fabel vom Rösslein und vom weißen und schwarzen Schimmel"

"Wenn man den Menschen Geld wegnimmt, kann man keinen Applaus erwarten", sagte der Bundesgesundheitsminister (BGM) kürzlich in Berlin. Bei seiner Antrittsrede vor allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in seinem Ministerium sagte er: "Mein Chef sagte immer - ''Rösler, Sie sind bei keiner Operation der Beste, aber Sie lächeln immer'' - da wusste ich, ich muss in die Politik gehen!". Den Subtext dieser Chefansage versteht Herr Kollege, Dr. med. Philipp Rösler, bis heute nicht.

Mit der "Kopfpauschale" ist er jämmerlich gescheitert. Mit der "intelligenten Kostenerstattung" in der GKV (Deutsches Ärzteblatt 37/2010) wird er genau so baden gehen. Seine deplatzierten und unangemessenen Bierzeltscherze mit "Zickenalarm" á la U. von der Leyen könnte er sich auch schenken. Und beim größten deutschen Pädiaterkongress kürzlich in Potsdam vor 3000 Fachärzten/-innen auf die dringliche Notwendigkeit der Existenzberechtigung unserer kinderärztlichen Kollegen hinzuweisen, ist in Etwa mit der Versicherung gleichzusetzen, dass die meisten Schimmel auch tatsächlich und überzufällig häufig weiß seien!

Aber auch inhaltlich in ''medias res'': Dem absehbar massiven Haus- und auch Fachärztemangel in ländlichen Regionen setzt der BGM weder formal noch inhaltlich etwas entgegen. Er scheut eine echte Strukturreform der GKV, z. B. mit E r h ö h u n g der Beitragsbemessungsgrenze (BBG), Reduzierung von Risikofaktoren (im Ruhrgebiet sagen wir ganz unver"blümt": Fressen, Saufen, Rauchen) und Ausbau sinnvoller Prävention. Der marode Steuerhaushalt wird vom BGM mit absehbaren Mehrbelastungen geplündert, anstatt die Beitragsbemessungsgrenze auf 4.500 Euro zu erhöhen und zeitgleich Gutverdiener, Vermögende, Reiche und von Kapital-, Beteiligungs- bzw. Mieteinkünften Lebende zur Finanzierung der GKV mit heranzuziehen. Die GKV und auch die PKV haben die Pflicht und Schuldigkeit, Solidarität und Risikoausgleich mit den Armen, Schwachen, Kranken, Desolaten, Jungen, Alten und auch Sterbenden in unserer Gesellschaft herzustellen.

Und dann präsentiert unser, vom Volk der Steuerzahler alimentierter Gesundheitsminister, strahlend wie ein Honigkuchenpferd, einen schwarzen Schimmel als GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) und wünscht sich, dass wir alle untertänigst und bewundernd Katzbuckeln?

Was hat das, Bitteschön, mit Zukunftsfestigkeit, Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit, sozialer Verantwortung, Gesundheitsbildung, Krankheitsverhinderung und mit der Förderung somatischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens zu tun? Fragt sich

mit kollegialen Grüßen, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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