Caritas stimmt nicht zu
Kräftiger Dämpfer für Altenpflege-Tarifvertrag
Die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas lehnt den Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags Altenpflege ab. Verdi spricht von einer Klatsche für die Beschäftigten. Am Freitag will die Arbeitskommission der Diakonie entscheiden.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Im Tauziehen um den Tarifvertrag Altenpflege hat die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas am Donnerstag dem Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit nicht zugestimmt. An diesem Freitag will die Arbeitskommission der Diakonie entscheiden.
Verdi und der Arbeitgeberverband BVAP hatten den Tarifvertrag abgeschlossen. Er sieht höhere Gehälter vor als der geltende Pflegemindestlohn. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) könnte den Tarifvertrag auf die gesamte Branche erstrecken – sofern ein Antrag vorliegt. Dieser bedarf laut Arbeitnehmerentsendegesetz der Zustimmung der kirchlichen Träger. Private Anbieterverbände laufen Sturm gegen das Vorhaben.
Wichtiges Votum der Kirchen
Tarifvertrag Altenpflege – Caritas und Diakonie als Zünglein an der Waage
Man habe sich das Votum nicht leicht gemacht, sagte Norbert Altmann von der Dienstgeberseite. Der Tarifvertrag greife in das Caritas-Tarifwerk ein. Zudem fehlten wichtige Elemente. Dies gelte für Überstundenregelungen, eine betriebliche Altersvorsorge sowie Arbeitszeitmodelle.
Jenseits dessen gebe es „grundsätzliche Bedenken“, so Altmann. „Ändert sich bei der Frage der Pflegefinanzierung nichts, dann zahlen allein die Pflegebedürftigen beziehungsweise die Kommunen die höheren Kosten bei steigenden Löhnen.“
Verdi: Nach dem Klatschen kommt die Klatsche
Der Sprecher der Caritas Mitarbeiterseite, Thomas Rühl, zeigte sich enttäuscht. „Ein allgemeinverbindlicher Tarif Altenpflege hätte für tausende zumeist bei privaten Anbietern beschäftigte Menschen ein Ende von Dumpinglöhnen bedeutet.“ Er bedauere die „mangelnde Solidarität der Caritas-Dienstgeber“.
Auch Verdi ging hart ins Gericht mit der Entscheidung. „Ideologie schlägt Humanität, das ist ein trauriger Tag für die Altenpflege“, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. Altenpflegekräfte leisteten in der Corona-Pandemie Außerordentliches. Jetzt müssten sie feststellen: „Nach dem Klatschen kommt die Klatsche.“
Diakonie nimmt Votum „zur Kenntnis“
Die Diakonie Deutschland erklärte, sie nehme die Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas „zur Kenntnis“. „Wir hoffen auf eine dauerhaft tragfähige Lösung, mit der die Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche verbessert werden“, sagte Dr. Jörg Kruttschnitt, Vorstand Finanzen, Personal und Recht.
Kruttschnitt setze hinzu: „Es ist für uns unabdingbar, dass die besseren Arbeitsbedingungen, die die kirchlichen Träger in ihren Pflegeeinrichtungen bieten, weiterhin abgesichert sind.“
Der Chef des Arbeitgeberverbands Pflege, Thomas Greiner, reagierte am Donnerstag erleichtert auf das Votum der Caritas gegen den Tarifvertrag Altenpflege: „Dem Himmel sei Dank, dass die Caritas diesen Spuk gestoppt hat.“
In sämtlichen Altenheimen und ambulanten Diensten bundesweit würden von mehr als einer Million Beschäftigten nur 70.000 vom Verband BVAP vertreten. „Eine Minderheit will eine Mehrheit dominieren“, kritisierte Greiner.
Grüne und Linke reagieren mit scharfer Kritik
Die Grünen-Bundestagsfraktion sprach dagegen von einer herben Enttäuschung. „Ein flächendeckend gültiger Tarifvertrag in der Altenpflege mit deutlich höheren Stundenlöhnen, mit mehr Urlaubstagen und Urlaubsgeld – das wäre ein echter Fortschritt“, erklärten die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, Beate Müller-Gemmeke, und die Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik, Kordula Schulz-Asche.
Die pflegepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann, nannte es einen „Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte, dass die Caritas die flächendeckende Einführung existenzsichernder Löhne in der Altenpflege ablehnt“. Auch die Caritas habe in der Corona-Pandemie mehr als nur Applaus für die Pflegekräfte gewollt. „Jetzt lässt sie alle schlecht bezahlten Pflegekräfte im Regen stehen.“
CDU-Politiker: Heil muss jetzt Kompromiss finden
Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß rief Arbeitsminister Heil dazu auf, mit allen Beteiligten einen Kompromiss zu finden. „Bundesminister Heil muss jetzt seinen Fehler ausbügeln“, sagte Krauß am Donnerstag in Berlin.
Es sei falsch gewesen, ohne Caritas und Diakonie einen Pflege-Tarifvertrag auf den Weg bringen zu wollen, so Krauß. Der Caritas vorzuwerfen, sie sei gegen faire Arbeitsbedingungen, sei unredlich. „Die Caritas ist der Arbeitgeber, der in der Pflege am besten bezahlt.“ (hom)