Vorstoß angekündigt

Saarland will mehr Freiheiten für Physiotherapeuten

Das Saarland will darum kämpfen, dass Patienten einen leichteren Zugang zu Therapeuten-Leistungen ohne Arzt-Rezept erhalten. Eine Umfrage der "Ärzte Zeitung" gab dafür den Anlass.

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Sollten Physiotherapeuten direkt mit Krankenkassen abrechnen können? Das Saarland will das in Modellprojekten erproben lassen.

Sollten Physiotherapeuten direkt mit Krankenkassen abrechnen können? Das Saarland will das in Modellprojekten erproben lassen.

© RioPatuca Images / fotolia.com

SAABRÜCKEN. Das Saarland unternimmt einen Vorstoß, um Patienten einen leichteren Zugang zu Therapeuten-Leistungen ohne Arzt-Rezept zu ermöglichen.

Der saarländische Gesundheits-Staatssekretär Stephan Kolling (CDU) kündigte für die nächste Gesundheitsministerkonferenz im Juni eine entsprechende Initiative an.

Kolling hatte für seine Initiative zur nächsten Gesundheitsministerkonferenz auch auf die Online-Umfrage der "Ärzte Zeitung" verwiesen. Von den über 4000 Teilnehmern hatten sich rund drei Viertel dafür ausgesprochen, dass jeder gesetzlich versicherte Patient die Möglichkeit haben sollte, direkt einen Physiotherapeuten aufzusuchen.

Landesregierung will für eine Rechtsänderung werben

Wie das Gesundheitsministerium in Saarbrücken mitteilte, will das Saarland einen Antrag zur Änderung des Berufegesetzes der bundesrechtlich geregelten therapeutischen und Assistenzberufe im Gesundheitswesen einbringen.

Außerdem soll das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert werden zu prüfen, ob Modellvorhaben möglich sind, bei denen zum Beispiel Physiotherapeuten bestimmte Leistungen bei den Krankenkassen abrechnen können.

Voraussetzung sei, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Indikationen festlege und die Therapeuten aufgrund ihrer Ausbildung für die Tätigkeiten auch qualifiziert sind.

"Damit könnten Erfahrungen über mögliche Einsparpotenziale, aber auch über die Möglichkeiten und Grenzen der Übernahme größerer Versorgungsverantwortung durch Heilmittelerbringer gesammelt werden", sagte Kolling.

"Das heißt aber nicht, dass die Ärzteschaft ausgeschlossen werden soll". Grundsätzlich bedürfe es weiter der ärztlichen Diagnose.

Klar umrissene Modellversuche "sinnvoll"

Beginnen kann man nach den Vorstellungen des Saar-Gesundheitsministeriums mit Modellvorhaben bei den Physiotherapeuten. Sie seien schon bisher mit der Heilpraktikererlaubnis nach einer Weiterqualifizierung berechtigt, Patienten ohne vorherige ärztliche Diagnose zu behandeln.

Das Saar-Gesundheitsministerium will die Bundesregierung zudem durch eine Gesetzesänderung dazu bringen, "Raum für Modellregionen" zu schaffen.

Das Saarland hatte sich dafür zuvor bereits ins Gespräch gebracht. Der saarländische Ärztekammer-Präsident Dr. Josef Mischo hatte sich zu der Initiative zurückhaltend geäußert.

Klar umrissene Modellversuche mit entsprechender Evaluation seien "sinnvoll".

"Aber auch solche Modellversuche kosten Geld", so Mischo. "Und ich persönlich bin überzeugt, dass insgesamt keine Kosten im GKV-System eingespart werden können, wenn man die Patientenversorgung nicht verschlechtern will". (kin)

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 29.04.201519:58 Uhr

2 Möglichkeiten: Rezept oder nicht Rezept


Das Saarland macht einen richtigen Schritt.

a) man kann davon ausgehen, daß viele Ärzte (viel zu viele Ärzte!) keine oder zu wenig Physiotherapüierezepte ausstellen aus Angst vor Regressen. Wenn eine Direktinanspruchnahme möglich ist, werden diese Ärzte in Zukunft sagen dürfen, es bedarf keines Rezepts. Und sie werden zu Recht denken dürfen, daß sie nicht mehr in die Regreßfalle tappen.

b) es wird weiter von Ärzten ausgestellte Rezepte geben, und die werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die medizinisch-therapeutisch wichtigeren sein, denn in diesen Fällen wird es - ebenfalls ohne Regreßfalle, weil viele der Wunschverordnungen ja mit (a) weggefallen sein werden - ein Shake-Hand-Verfahren Arzt-Physiotherapeut-Patient geben, mit einem soliden Behandlungsplan, der sich nicht mehr an die grotesk-weltfremden Bestimmungen des Heilmittelkatalogs halten braucht.

c) der Heilmittelkatalog wird zur Makulatur und damit hoffentlich bald auf dem Friedhof der unsinnigen Dinge landen.

Ich begrüße den Vorstoß des Saarlandes und hoffe nur, daß das nicht nur wieder eine Wahlkampfleichtrakete der CDU sein wird, so wie Gröhe sie seit Moinaten zu Hauf abschießt. Wenn das der Fall wäre, sollte man zukünftig nur noch Opposition wählen, undzwar egal welche. Solange jedenfalls bis die, die regieren mit der Verarsche aufhören.

Dr.Karlheinz Bayer

Dr. Thomas Georg Schätzler 29.04.201519:10 Uhr

Gesundheitspolitische Effekthascherei aus dem Saarland

Die Ergebnisse einer Umfrage unter allen Leserinnen und Lesern der "Ärzte Zeitung", dass Patienten einen leichteren Zugang zu Physiotherapeuten-Leistungen o h n e Arzt-Rezept erhalten sollen, spiegeln auch zum Teil Ärzte-Frust, -Unlust und -Ignoranz wieder. Die Ärzte Zeitung schrieb dazu am 24.4.2015:

• "2061 Teilnehmer (50,9 Prozent) sprachen sich demnach dafür aus, dass jeder gesetzlich versicherte Patient die Möglichkeit des Direktzugangs zum Physiotherapeuten haben sollte.
• 1052 Leser (knapp 26 Prozent) gaben darüber hinaus an, aus ihrer Sicht würden auch Ärzte von einem Direktzugang profitieren - etwa durch weniger Bürokratie oder mehr Zeit für andere Patienten.
• Vorbehalte meldeten 1052 Teilnehmer an (16,7 Prozent) und mahnten, vor der Umsetzung müssten erst die Auswirkungen etwa auf das Budget oder auf die Haftung geklärt werden.
• Nur eine Minderheit von knapp 6,5 Prozent (261 Voten) lehnte den Direktzugang ab und plädierte dafür, Hausärzte sollten die Lotsen in der Behandlung bleiben."

Die saarländische Initiative des dortigen Gesundheits-Staatssekretärs Stephan Kolling (CDU), bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz im Juni durch eine Änderung der Heilberufe-Gesetze Patienten einen leichteren Zugang zu Therapeuten-Leistungen ohne Arzt-Rezept zu ermöglichen, bleibt vordergründige Effekthascherei. Denn sie wird zum klassischen Eigentor für medizinisch begründete Kompetenz, stellt Vertragsärzte bloß und entwertet deren Versorgungsauftrag:

Wer nichts mehr verordnen will, kann oder darf, verliert an Kompetenz, Gestaltungs- und Deutungshoheit. Aktiv Verantwortung für komplexe Therapien mit Medikation, Heil- und Hilfsmittelverordnung und ggf. REHA-Sport oder Gewichtsreduktion bei unseren Patientinnen und Patienten zu übernehmen bedeutet, sich mit Entschiedenheit, Empathie und Professionalität der multimodalen Therapie zuzuwenden und diese auch sinnvoll steuern zu wollen.

Eine isolierte x-beliebige Physiotherapie nach Gutdünken, ohne Evidenz, Stringenz, Koordination, Kooperationspartnerschaft und Kommunikation bleibt redundant, insignifikant bzw. auch nicht frei von Nebenwirkungen und Risiken.

Mf+KG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Rainer Michael Stiebing 29.04.201517:24 Uhr

Geht doch schon...

Keinem Patienten ist es verwehrt, sich eine Massage oder andere physikalische Behandlungsmöglichkeiten zu kaufen. Er kann frei zu einem Therapeuten gehen, wenn er es wünscht. Warum also die Aufregung?
Soll allerdings eine Krankheit behandelt werden, ist es der Arzt, der die Diagnose als Voraussetzung einer gezielten Therapie stellen muss.
Dann - und nur dann - kann die Versichertengemeinschaft die Kosten übernehmen.
Übersetzt man das Begehren in das Feld der Pharmatherapie, könnte der Patient beim Apotheker sonst ja auch einfach eine "Herztablette" bestellen, weil es im Brustbereich so zieht.

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