"Ärzte Zeitung"-Umfrage

Klare Mehrheit will ohne Arztbesuch zum Therapeuten

Sollten Patienten auch ohne Rezept ein Physiotherapie auf Kassenkosten erhalten? Mit dieser Idee haben Unionspolitiker eine heiße Diskussion losgetreten. Die "Ärzte Zeitung" hat ihre Leser gefragt, wie diese zu den Plänen stehen. Über 4000 Mal wurde abgestimmt - das Ergebnis ist eindeutig.

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NEU-ISENBURG. Ein breites Echo mit über 4000 Teilnehmern hat die Online-Umfrage der "Ärzte Zeitung" über den Direktzugang zu Physiotherapeuten ausgelöst.

Hintergrund ist ein Anfang April bekannt gewordenes Papier der Arbeitsgruppe Gesundheit in der Union. Darin werben die Gesundheitspolitiker dafür, Heilmittelberufe "direkter in die Versorgung einzubinden".

Es gehe darum, mit Blick auf mögliche Versorgungsengpässe die "Verantwortung auf mehr Schultern zu verteilen".

Modellprojekte von Krankenkassen zeigten, dass durch verschiedene Varianten des Direktzugangs von Patienten beispielsweise zu Physiotherapeuten die Behandlungseinheiten im Vergleich zur ärztlichen Verordnung reduziert werden können - und die Patienten dennoch zufriedener sind.

4049 Mal wurde abgestimmt

Also eine gute Idee, hat die "Ärzte Zeitung" ihre Leser gefragt? Bis Mittwoch haben 4049 Leser an der nicht-repräsentativen Online-Umfrage teilgenommen. Das Ergebnis überrascht, und verdankt sich mutmaßlich der Tatsache, dass auch Vertreter nicht-ärztlicher Berufe in großer Zahl abgestimmt haben.

2061 Teilnehmer (50,9 Prozent) sprachen sich demnach dafür aus, dass jeder gesetzlich versicherte Patient die Möglichkeit des Direktzugangs zum Physiotherapeuten haben sollte.

1052 Leser (knapp 26 Prozent) gaben darüber hinaus an, aus ihrer Sicht würden auch Ärzte von einem Direktzugang profitieren - etwa durch weniger Bürokratie oder mehr Zeit für andere Patienten.

Vorbehalte meldeten 1052 Teilnehmer an (16,7 Prozent) und mahnten, vor der Umsetzung müssten erst die Auswirkungen etwa auf das Budget oder auf die Haftung geklärt werden.

Nur eine Minderheit von knapp 6,5 Prozent (261 Voten) lehnte den Direktzugang ab und plädierte dafür, Hausärzte sollten die Lotsen in der Behandlung bleiben.

Feldmann: "Pläne nicht zielführend"

Völlig gegenläufig fiel die Reaktion ärztlicher Vertreter aus. KBV-Vorstand Regina Feldmann bezeichnete die Pläne als "nicht zielführend" und warnte: "Nur der Arzt kennt die komplette Krankheitsgeschichte seiner Patienten. Gerade die Diagnose und Indikationsstellung müssen in ärztlicher Hand bleiben".

Für Aufregung sorgte die Reaktion von Professor Frank Ulrich Mongtomery, dem Präsidenten der Bundesärztekammer. Sie sei "völlig unzureichend", bemängelte der Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa). Ein Dorn im Auge der Fachärzte sei Montgomerys Statement gewesen, mit der Bewegungstherapie kenne sich der Physiotherapeut besser als ein Arzt aus. Der BÄK-Boss zeige damit "völliges Unverständnis für die Qualität fachärztlicher Versorgung".

Kritik an den Unionsplänen kam auch von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Die Therapie beginne mit der Diagnose, hieß es.

Wenn diese ärztliche Kernkompetenz durch andere Heilberufe ersetzt werde, handele sich um einen "Dammbruch mit nicht absehbaren Folgen für die Qualität und Sicherheit der Gesundheitsversorgung".

Allerdings wird der Direktzugang in dem Unionspapier gar nicht gefordert, sondern soll lediglich "geprüft" werden. Als eine Option sieht hingegen Dr. Fred Rainer Villbrandt, Chefarzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin am Klinikum Frankfurt/ Oder, die Blankoverordnung an.

Dabei legt der Arzt die Diagnose fest und informiert über Kontraindikationen. Der Therapeut entscheidet dann über das geeignete Heilmittel, die Frequenz und die Dauer der Behandlung. Ungeklärt seien dabei aber noch Fragen der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots, der Qualitätssicherung oder der Haftung, so Villbrandt. (fst/ths)

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