KBV-Chef Gassen
Sachlichkeit statt Giftpfeilen
Öffentliche Beschimpfungen vor den Honorarverhandlungen? KBV-Chef Dr. Andreas Gassen setzt auf ruhigere Töne - und wertet seinen aktuellen Honorarabschluss als Erfolg.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Bei den Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen setzt sich der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen bewusst von seinem Vorgänger Dr. Andreas Köhler ab. Vom öffentlichkeitswirksamen Schlagabtausch mit den Krankenkassen hält Gassen offenbar wenig.
"Man muss sich von einigen lieb gewonnenen Ritualen verabschieden", sagt er bei der Veranstaltung "Düsseldorf IN - Ärzte im Gespräch" von Signa Property Funds Deutschland und der Apotheker- und Ärztebank.
Zu solchen Ritualen zählt Gassen Honorarverhandlungen mit gegenseitigen Beschimpfungen. Er hat darauf bewusst verzichtet - und ist gut damit gefahren, findet er.
"Die Honorarabschlüsse der letzten drei Jahre waren schlechter als meiner."
Die öffentlichen Auseinandersetzungen kurz vor Abschluss der Verhandlungen über die vertragsärztliche Vergütung finden nach Gassens Einschätzung ohnehin nur "für die Galerie" statt. Schließlich treffen sich die Verhandlungspartner vorher regelmäßig zur Arbeit in den Gremien, dort werden die Weichen gestellt.
"Der Honorarabschluss lässt sich nicht leichter verkaufen, weil man drei Mal die Tür zugeschmissen hat."
Fairer Umgang
Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Dr. Doris Pfeiffer und der KBV-Chef seien fair miteinander umgegangen, obwohl sie in einer Menge von Punkten unterschiedlicher Meinung waren, berichtet er.
"Ich glaube, die Krankenkassen sind nicht traurig, weil sie sich nicht permanent im Ärzte-Bashing ergehen müssen."
Um das langfristige Ziel einer Vergütung mit festen Preisen zu erreichen, müssen die niedergelassenen Ärzte noch viele dicke Bretter bohren, weiß Gassen.
Gerade deshalb hält er es für wichtig, trotz Dissens sachlich zu bleiben und nicht auf die persönliche Ebene zu gehen. "Wenn Sie nicht ein gewisses Maß an Vertrauen haben, kriegen Sie auch keine Verlässlichkeit hin", sagt er.
Die Tatsache, dass durch den jüngsten Honorarabschluss der Anteil der extrabudgetären Vergütung leicht angestiegen ist, sieht der Düsseldorfer Orthopäde als wichtigen Erfolg.
Fünf Milliarden Euro "nicht aus der Luft gegriffen"
Seine Forderung, dass die Ärzte einen Nachholbedarf von fünf Milliarden Euro haben, sei nicht aus der Luft gegriffen gewesen, betont er. "Auch die Krankenkassen haben das interessanterweise nicht zurückgewiesen."
Dass die für 2015 ausgehandelten 849 Millionen Euro nicht bei allen Ärzten gut angekommen sind, kann Gassen nachvollziehen.
Die harsche Kritik von Dr. Dirk Heinrich, Chef des NAV Virchow-Bunds, er habe keines seiner Ziele erreicht, kommentiert Gassen zunächst mit den Worten: "Fast könnte ich sagen, wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde."
Aber gleich schiebt er nach, dass er vor einem Jahr als Vorsitzender eines Berufsverbandes wahrscheinlich eine ähnliche Pressemitteilung herausgegeben hätte.
Heinrich liege falsch mit der Behauptung, der höhere Orientierungspunktwert gleiche noch nicht einmal die Inflationsrate aus. "Aber sonst kann ich damit leben", sagt Gassen. (iss)