Honorar-Ergebnis
Ärzte sind sauer auf die KBV
Von fünf Milliarden Euro war die Rede, 800 Millionen Euro sind es am Ende geworden: Die KBV erntet für ihr Ergebnis bei den Honorarverhandlungen viel Kritik - von Ärztevertretern und niedergelassenen Ärzten.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Ärzteverbände haben durchweg verärgert auf das Ergebnis der Honorarrunde reagiert - von Widerstand und Streik ist die Rede. Die Einigung von KBV und GKV-Spitzenverband sieht ein Plus von 800 Millionen Euro für die niedergelassenen Ärzte im kommenden Jahr vor.
"Die Institution KBV braucht bei ihrer Honorarpolitik jetzt starke Verbände an ihrer Seite, um die notwendigen Veränderungen einzuleiten", sagte der NAV-Vorsitzende Dr. Dirk Heinrich. Die Kassen müssten den organisierten Widerstand der Praxisärzte zu spüren bekommen.
Heinrich erhob Vorwürfe gegen die Verhandlungsführer und forderte Nachverhandlungen. Die Bereitstellung von 132 Millionen Euro werde bei den Hausärzten zu Verwerfungen führen, sagte Heinrich.
Von dieser extrabudgetären Leistung könnten nur Praxen profitieren, die Versorgungsassistenten beschäftigten. Wichtige Versorgerpraxen in Städten gingen leer aus.
Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner rechnete vor, "dass dieses Ergebnis Umsatzplus von rund 400 Euro pro Monat" für jede Praxis bedeute. "Damit werden Probleme wie das Praxissterben bei den Hausärzten oder zunehmende Wartezeiten in den Facharztpraxen verschärft", so Baumgärtner.
Wesiack: "Ergebnis ist eine große Enttäuschung"
Als eine "große Enttäuschung" bezeichnet Dr. Wolfgang Wesiack, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI), das Ergebnis der Honorarverhandlungen.
"Mit der Honorarforderung in Höhe von fünf Milliarden Euro wurde eine Erwartungshaltung geweckt, die mit so einem Abschluss auf Unverständnis stößt. Wenn man dann noch sieht, wie harmonisch und schnell die Verhandlungen abgefrühstückt worden sind, dann macht mich das betroffen. Noch nicht einmal der Einstieg in eine Lockerung der Budgets ist gelungen", kritisiert Wesiack im ausführlichen Interview mit der "Ärzte Zeitung".
Für ein solches Ergebnis hätte man sich nicht zusammen setzen müssen, so der BDI-Präsident. Weiter führt er aus: "Die Steigerung der Gesamtvergütung hat sich in den vergangenen Jahren an allem, nur nicht an den Kosten und dem tatsächlichen Leistungsbedarf orientiert. Es besteht Nachholbedarf."
Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, wollte die Ergebnisse nicht im Detail kommentieren, stellte aber in Frage, ob es klug gewesen sei, Zahlen in die Welt zu setzen, die bei realistischer Betrachtungsweise nicht zu erzielen gewesen sein.
Er bezeichnete die Verhandlungen als "überkommene Rituale". Als Vertreter eines freien Berufes sei er es leid, jedes Jahr in Tarifverhandlungen eintreten zu müssen. Eine Sprecherin des Hausärzteverbands bezeichnete das "gesamte Verhandlungsergebnis, das die KBV erzielt hat, mehr als mager".
Angesichts der schlechten Einkommenssituation vieler Psychotherapeuten sei eine Steigerung um 1,4 Prozent völlig unbefriedigend und kein Schritt in Richtung Honorargerechtigkeit, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung Dipl.-Psych. Dieter Best. Von den Zuschüssen für die fachärztliche Versorgung profitierten die Psychotherapeuten unterdurchschnittlich.
Gassen: "Das Ergebnis ist ein Kompromiss"
KBV-Verhandlungsführer Dr. Andreas Gassen hatte im Vorfeld der Verhandlung eine Unterfinanzierung der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung von rund 5,3 Milliarden Euro ausgemacht. "Das nun erzielte Ergebnis ist ein Kompromiss", sagte Gassen der "Ärzte Zeitung".
Die Vorwürfe, mit seinen Äußerungen über eine Unterfinanzierung des vertragsärztlichen Bereichs von rund fünf Milliarden Euro die Erwartungen zu hoch geschraubt zu haben, wies Gassen zurück: "Wir haben immer davon gesprochen, dass wir stufenweise vorgehen wollen."
Man sei nicht so blauäugig gewsen, dieses Gesamtvolumen auf einen Schlag durchsetzen zu können, ergänzte KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl. Es sei um einen Einstieg in feste Preise gegangen. Dies sei mit der Förderung der haus- und fachärztlichen Grundversorgung erreicht worden. Haus- und Fachärzte sollen extrabudgetär je 132 Millionen Euro erhalten.
Bei den Hausärzten wollen die Vertragspartner vor allem die qualifizierten nichtärztlichen Praxisassistenten fördern. Die vor den Verhandlungen von Ärzteseite angemahnten Vorhaltepauschalen für medizinische Geräte schafften es nicht auf die Agenda.
"Wir werden diesen Aspekt in die Gespräche mit dem GKV-Spitzenverband einbringen, wenn es um die Weiterentwicklung des EBM geht", sagte KBV-Vorstand Regina Feldmann der "Ärzte Zeitung".
KV Thüringen kommentiert das Ergebnis positiv
Was den kalkulatorischen Arztlohn angehe, hätten KBV und GKV-Spitzenverband vereinbart, dass die Anpassung des kalkulatorischen Arztlohnes mit der Weiterentwicklung des EBM mit Wirkung zum 1. Januar 2016 geprüft werde.
In diesem Punkt, der bei den Honorarverhandlungen am Mittwoch nicht zur Diskussion stand, hatte Gassen im Vorfeld der Verhandlungen einen Nachholbedarf von rund drei Milliarden Euro ausgemacht. Vergessen dürfe man dabei nicht, dass die Ärzte damit das grundsätzliche Diktat der Kostenneutralität einer EBM-Reform nun quasi überwunden hätten, sagte Gassen.
Das sei neben dem Einstieg in extrabudgetäre Leistungen der eigentliche Erfolg dieser Verhandlungsrunde.
GKV-Spitzenverbandssprecher Florian Lanz sagte, dieser Zusatz bedeute keine Anhebung des Arztlohns. Es sei ein Prüfbeschluss.
Positiv fiel der Kommentar der KV Thüringen aus. Die Einigung schaffe eine gute Grundlage für die Verhandlungen auf regionaler Ebene, sagte KV-Chefin Dr. Annette Rommel.
Niedergelassene Ärzte sauer auf Gassen
Deutliche Kritik zum Honorar-Beschluss kommt von niedergelassenen Ärzten. Leser der "Ärzte Zeitung" schießen sich in ihren Online-Kommentaren auf die Funktionsträger der KBV ein - allen voran auf KBV-Chef Gassen.
"Herr Gassen hat sich als Verhandlungspartner der Kassen dauerhaft disqualifiziert", schreibt Dr. Jens Wasserberg. "Die öffentlichen Erklärungen und das nun erzielte Ergebnis lassen nur den Schluss zu, dass die KBV naiv und unvorbereitet nicht die Qualität besitzt, die Kassenärzte zu vertreten."
Dr. Wolfgang Bensch findet: "Bestdotierte Funktionäre führen das jährliche Trauerspiel auf!"
Dr. Michael Kirsch weist darauf hin: "Keines der vorher großmäulig propagierten Verhandlungsziele wurde erreicht. Der Abschuss bringt weniger Geld, als die jährliche Inflationsrate ausmacht." De facto sei es also wieder einmal ein Verlustgeschäft für die niedergelassenen Ärzte. "Das kann man nicht Verhandlungen nennen, dass ist der Fußkuss den Krankenkassen gegenüber", so Kirsch. (af/bee/ths)
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