Honorar-Einigung

800 Millionen Euro mehr für Ärzte

Der Honorarpoker ist beendet: KBV und GKV-Spitzenverband haben sich darauf geeinigt, dass Ärzte im kommenden Jahr 800 Millionen Euro mehr erhalten. Das Verhandlungsergebnis schmeckt nicht jedem.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein zusätzliches Honorar von 536 Millionen Euro erhalten alle niedergelassenen Ärzte im Jahr 2015.

Ein zusätzliches Honorar von 536 Millionen Euro erhalten alle niedergelassenen Ärzte im Jahr 2015.

© Jürgen Fälchle / fotolia.com

BERLIN. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben sich am Mittwoch in ihrer zweiten Verhandlungsrunde auf ein Honorarplus geeinigt. Insgesamt können die Ärzte mit 800 Millionen Euro mehr im kommenden Jahr rechnen.

Die Hausärzte erhalten 2015 für Hausbesuche und für Beschäftigung von qualifizierten nichtärztlichen Praxisassistentinnen (Verahs) 132 Millionen Euro mehr. Die Verahs werden damit in die Regelversorgung übernommen. Nach Angaben von KBV und GKV-Spitzenverband fließt dieses Geld außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung.

Gleiches gilt für weitere 132 Millionen Euro, die die Fachärzte auf die Leistungen der fachärztlichen Grundversorgung draufgelegt bekommen.

Alle niedergelassenen Ärzte erhalten zusätzlich ein höheres Honorar von 536 Millionen Euro. Der Orientierungspunktwert steigt somit um 1,4 Prozent auf 10,27 Cent (bislang 10,13 Cent).

Nach Angaben des NAV-Virchow-Bundes soll es zusätzlich eine Protokollnotiz geben, dass der kalkulatorische Arztlohn bei der EBM-Reform 2016 angehoben werden und nicht mehr der Beitragssatzstabilität unterworfen sein soll.

Das sei der Einstieg in feste Preise, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen, das Ergebnis der Verhandlungen für die Ärztehonorare im kommenden Jahr am späten Mittwochnachmittag.

"Wichtig ist für uns vor allem die Förderung der haus- und fachärztlichen Grundversorgung", sagte Gassen, der erstmals als Verhandlungsführer der Ärzte am Tisch saß.

Pfeiffer: "Verhandlungspaket gerade noch vertretbar"

Gassen hatte die Latte im Vorfeld die Latte hoch gelegt. Die vertragsärztliche und –psychotherapeutische Versorgung sei um mehr als fünf Milliarden Euro unterfinanziert, hatte Gassen bei verschiedenen Gelegenheiten vorgerechnet, diese Summe allerdings nie zur offiziellen Forderung der Ärzteseite erhoben. Dennoch wirkt das tatsächlich erreichte Ziel dagegen nun mager.

Die Kritik von Ärzteseite folgte prompt. "Keines der von der KBV gesteckten Ziele ist erreicht worden", klagte der Vorsitzende des NAV-Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich. Die Anhebung des Orientierungspunktwertes gleiche nicht einmal die Inflationsrate aus.

Heinrich übte scharfe Kritik am Verhandlungsstil des neuen KBV-Chefs Gassen: "So wie die Verhandlungen in diesem Jahr gelaufen sind, kann es nicht weiter gehen." Man werde den Widerstand der Praxisärzte organisieren müssen, um grundlegende Veränderungen in der Honorarpolitik zu erzwingen.

Die Förderung der hausärztlichen Strukturen strich GKV-Spitzenverbandschefin Dr. Doris Pfeiffer heraus. "Mit Blick auf die langfristige Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ist dieses Verhandlungspaket gerade noch vertretbar", sagte Pfeiffer.

Zumindest als Teilerfolg wird der Hausärzteverband das Verhandlungsergebnis werten. Die Aufnahme der qualifizierten nichtärztlichen Versorgungsassistentinnen (Verahs und andere) in die Regelversorgung war ein Ziel der Hausärzte. Auch das Aufgeld für die Hausbesuche dürfte den Hausärzten gelegen kommen.

"In dünn besiedelten Gebieten fährt der Hausarzt heute 20 Kilometer weit zu seinen Patienten raus", hatte der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Dr. Ulrich Weigeldt, im Vorfeld der Verhandlungen gesagt. Dies sei betriebswirtschaftlich nicht abzubilden und unter tariflichen Gesichtspunkten prekär.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ziel um Lichtjahre verfehlt

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 28.08.201420:44 Uhr

„Gegen die Wand“ ( Film von Fatih Akins, Deutschland 2004)


Wer in diesen Tagen großmäulig als Arzt/Ärztin über eine in Verhandlungsführung insuffiziente und kompetenzmäßig dilettierende KBV-Führungsriege herzieht, die er/sie schlussendlich selbst gewählt hat; wer über Funktionäre mault, die der Ärzteschaft mehr schaden als nutzen; wer Verlustgeschäfte für die niedergelassenen Ärzte beklagt; wer über Disqualifikation und lächerliche Mondforderungen konfabuliert; wer von zu blöd oder zu hinterhältig schwadroniert; wer vom "netten Orientierungs(punkt)wert" spricht; wer als jährliches Trauerspiel den Personenwechsel nach dem Abgang von Andreas I zu Andreas II guillotinieren will.

Wer, wie der NAV-Virchow-Bund aus seinem traditionell unpolitischen Tiefschlaf aufwacht und ex post von einer Protokollnotiz schnauft, dass der kalkulatorische Arztlohn 2016 angehoben werden möge; wer, wie der Hausärzteverband das klägliche Verhandlungsergebnis als Teilerfolg wertet, sich aber auch den neuen Gesundheitsminister schön redet und zugleich im Gestrüpp eines HzV-Vertrags-Chaos verharrt bzw. eigentlich g e g e n die KBV antichambriert; wer, wie der BDI, die anderen Facharzt-Verbände, der Hartmannbund o. ä. noch nicht mal v o r der Honorarrunde aufgewacht ist, sondern auch d a n a c h bis zum nächsten Jahr durch schläft, der braucht sich wirklich nicht wundern, dass a l l e bisherigen Honorarverhandlungen KBV vs. SpiBu ausgegangen sind, wie das Hornberger Schießen.

Denn egal was passiert: A l l e, ausnahmslos alle Ärzte-Gruppierungen, Vereine, Verbände kuschen und verharren v o r den entscheidenden Verhandlungen in einer Art Schockstarre, kümmern sich einen "Dreck" um die kassenpolitische Gewitterfront, die die GKV-Kassen taktisch geschickt und demagogisch gewieft aufziehen lassen, um mit aberwitzigen PROGNOS-Gutachten, mit lancierten Pressemeldungen, "fünften Kolonnen" und "nützlichen Idioten" Stimmung gegen die "raffgierigen" Ärzte zu machen.

Die Krönung des Ganzen? Der MARBURGER BUND (mb)! Haben Sie von diesem Interessenverband der angestellten Ärztinnen und Ärzte jemals auch nur ein Sterbenswörtchen zur Situation der haus-, fach- und spezial-ärztlichen Vertragsärzteschaft gehört? Haben deren Funktionärs-Riegen in den 39 Jahren, die ich beruflich überblicke, in Selbstverwaltung, ÄKen, KVen, KBV und BÄK jemals die Interessenlage von Hausärzten überhaupt nur wahrnehmen geschweige denn respektieren wollen.

Mit einem derartig präformierten Desinteresse, mit berufspolitischer Inkompetenz und generell fehlender emotionaler bzw. sozialer Intelligenz und ohne den Hauch einer Unterstützung sind wir Ärztinnen und Ärzte es vornehmlich s e l b s t, die alljährlich die KBV in Honorarverhandlungen voll vor die Wand fahren lassen!

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


Dr. Michael Kirsch 28.08.201414:26 Uhr

Wer solche Funktionäre hat, muss sich über nichts mehr wundern!

Ich frage mich wieder einmal, wie die Ärzte es schaffen, Funktionäre zu wählen, die der Ärzteschaft mehr schaden als nutzen!

Keines der vorher großmäulig propagierten Verhandlungsziele wurde erreicht. Der Abschuss bringt weniger Geld, als die jährliche Inflationsrate ausmacht. De facto also wieder einmal ein Verlustgeschäft für die niedergelassenen Ärzte. Das kann man nicht Verhandlungen nennen, dass ist der Fußkuss den Krankenkassen gegenüber.

Die Probleme der ambulanten Medizin wurden erstmals angedeutet, um dann vollkommen vernachlässigt zu werden.

Es steht die Frage, ob Gassen nicht in der Lage ist, seine Verantwortung wahrzunehmen, oder ob er es bewusst nicht macht. Zu blöd oder zu hinterhältig, mehr an Möglichkeiten gibt es doch gar nicht.

Dr. jens wasserberg 27.08.201418:13 Uhr

Herr Gassen hat sich als Verhandlungspartner der Kassen dauerhaft disqualifiziert

Wer unrealistische 5 Milliarden auf den Wunschzettel schreibt, und sich dann mit weniger als 20% seiner Forderung binnen Wochenfrist zufrieden gibt, der hat sich als seriöser Verhandlungspartner disqualifiziert.
Künftig wird jede Forderung der KBV von den Kassen ausgesessen, denn die Ärzteschaft selbst scheint ihre eigenen Forderungen ja nicht ansatzweise ernst zu nehmen.
Die öffentlichen Erklärungen und das nun erzielte Ergebnis lassen nur den Schluss zu, dass die KBV naiv und unvorbereitet nicht die Qualität besitzt, die Kassenärzte zu vertreten. Ob es überhaupt einen echten Verhandlungsspielraum gibt, ist sicherlich schwierig zu bemessen. Dies sollten man in Berlin aber wissen, bevor man mit lächerlichen Mondforderungen baden geht. Der Vorwurf an Kollege Gassen lauten somit nicht, dass er nicht mehr erreicht hat, sondern dass er sich umgehend mit einer absurden Diskrepanz zwischen eigener Forderung und erzieltem Ergebnis abgefunden hat. Nicht die Forderung qualifiziert zu diesem Amt, sondern das, was am Ende des Tages erreicht wurde und die realistische Einschätzung der eigenen Möglichkeiten.

Dr. Wolfgang Bensch 27.08.201415:29 Uhr

Na toll, Ruhe an der Front damit möglich?

Jetzt sprechen alle über den "netten Orientierungswert" nach SGB V § 87:

(2e) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist jährlich bis zum 31. August ein bundeseinheitlicher Punktwert als Orientierungswert in Euro zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen festzulegen.

Jetzt sind wir "orientiert" ...

Dr. Wolfgang Bensch 27.08.201414:17 Uhr

Bestdotierte Funktionäre führen das jährliche Trauerspiel auf!

Abläufe und Argumente sind seit Jahren eingeübt, ein Personenwechsel nach dem Abgang von Andreas I zu Andreas II fand statt, der Gröhe-Termin für den Schlichterspruch ist vermutlich schon terminiert ...

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