Hausarztzentrierte Versorgung
Sachsen-Anhalt ist zweites Muster-Ländle
In Sachsen-Anahlt sitzen KV und Kassen bei den Hausarztverträgen von Anfang an mit im Boot. eine Erfolgsgeschichte, die eine Alternative zum Musterland Baden-Württemberg aufzeigt.
Veröffentlicht:MAGDEBURG. Vor zehn Jahren wurde in Sachsen-Anhalt die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) gestartet, eine Erfolgsgeschichte, die bundesweit Schule gemacht hat.
Mehr als eine halbe Million Versicherte nehmen derzeit an der hausarztzentrierten Versorgung teil. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung des Bundeslandes sind das mehr als 25 Prozent der Einwohner. "Damit liegen wir deutlich über dem Bundesdurchschnitt", sagt Landeshausärzte-Chef Stefan Andrusch.
Seit der Etablierung im Jahr 2004 konnte ein ständiger Zuwachs registriert werden, der durch die Einführung der Praxisgebühr zwar verlangsamt, nicht aber gestoppt worden ist.
Andrusch: "Der Hausarzt als Lotse im System der medizinischen Versorgung hat sich bewährt."
Das gemeinsame Bemühen um Qualitätsförderung und gezieltere Fortbildung unter Berücksichtigung evidenzbasierter Medizin zahle sich ganz konkret für die Patienten aus, denen die Krankenkassen außerdem Zusatzleistungen, wie den erweiterten Check-up oder einen Medikationscheck gewähren.
20 Millionen Euro jährlich für HzV
Sachsen-Anhalts Krankenkassen zahlen für die hausarztzentrierte Versorgung ihrer Versicherten jährlich rund 20 Millionen Euro zusätzlich und extrabudgetär - etwa 15.000 Euro pro Praxis.
Von 1400 Hausärzten nehmen rund 1300 am Hausarztprogramm teil. Mit dabei seien bereits einige Fachärzte, vornehmlich Kardiologen. Die Integration weiterer Spezialisten soll forciert werden.
"In Sachsen-Anhalt haben wir bewiesen, dass hausarztzentrierte Versorgung auch ohne Doppelstrukturen möglich ist", resümierte Dr. Burkhard John, Vorstand der KV Sachsen-Anhalt (KVSA).
Er weiß sich in diesem Punkt einig mit KBV-Vorstand Regina Feldmann. Die KVSA, von Anfang an neben Hausärzteverband, AOK und IKK gesund plus vierter Vertragspartner im Bunde, übernehme etwa die Abrechnung der Leistungen. So könne Bürokratie gespart werden.
Vergleiche mit Ländern wie Baden-Württemberg zeigten, dass beide Wege möglich seien und gleich gute Ergebnisse erzielt würden. John: "Das ist das Entscheidende. Die Effekte sind positiv, die Versorgung insbesondere der chronisch Kranken, ist eindeutig besser."
Eine Aussage, der Professor Thomas Lichte von der Medizinischen Fakultät Magdeburg, der die Evaluation vorgenommen hat, bestätigen kann. So gelang es Ärzten in der HzV, Arzneimittelkombinationen, die zu problematischen Interaktionen führen können, um 14 bis 18 Prozent zu mindern.
Weniger HzV-Versicherte in der Notaufnahme
Darüber hinaus erhalten 83,7 Prozent aller über 65-Jährigen, die an der HzV teilnehmen, keine Präparate aus der sogenannten Priscus-Liste (Potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen).
In der Vergleichsgruppe waren es 79,7 Prozent. Notfallaufnahmen in Krankenhäusern liegen bei HzV-Versicherten um 3,3 Prozente unter denen von Versicherten, die nicht am Programm teilnehmen, wiederholte Klinikeinweisungen waren sogar um 25 Prozent niedriger.
Und obwohl in HzV-Praxen etwa 20 Prozent mehr Patienten behandelt werden, sei deren Betreuung überdurchschnittlich gut. Einen Grund dafür sieht Lichte, der selbst noch als Hausarzt in der Lüneburger Heide tätig ist, in der Entlastung durch Versorgungsassistentinnen (VERAH).
Etwa jede dritte Hausarztpraxis in Sachsen-Anhalt beschäftige eine VERAH. Lichte: "Als Niedersachse schaue ich mit einem gewissen Neid auf Sachsen-Anhalt, wobei Neid laut Wilhelm Busch die höchste Form der Anerkennung ist."
"Was wir vor zehn Jahren auf den Weg gebracht haben, kann sich sehen lassen", sagte Uwe Deh vom AOK-Bundesverband, der damals noch auf Landesebene tätig war. Das Beispiel habe bundesweit Schule gemacht. (zie)