Schäuble kontra Bahr: Versorgungsgesetz zu teuer
Finanzminister Wolfgang Schäuble nimmt sich seinen neuen Kabinettskollegen Daniel Bahr zur Brust: Scharf kritisiert er dessen Entwurf für das Versorgungsgesetz. Die Kritik: Das Konzept sei nicht durchkalkuliert. Schäubles Parteikollege Jens Spahn nennt das Vorgehen "befremdlich".
Veröffentlicht:BERLIN (HL/sun). Neue Hürde für das GKV-Versorgungsstrukturgesetz: Das Bundesfinanzministerium vermisst zu den Instrumenten gegen den Ärztemangel nachvollziehbare Berechnungen über die Finanzwirkungen und befürchtet erhebliche Ausgabensteigerungen.
Das Gesetz befindet sich zur Zeit als Referentenentwurf in der Abstimmung unter den Ressorts. Dies ist Voraussetzung, dass das Kabinett das Gesetz im August als Regierungsentwurf verabschieden und in die parlamentarischen Beratungen einbringen kann.
Eine wichtige Rolle spielt dabei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). In diesem Jahr fließen insgesamt 15,3 Milliarden Euro aus dem Bundesetat in den Gesundheitsfonds und dann zu den Krankenkassen.
Das Gewicht des Finanzministers wächst, wenn in den Folgejahren der Sozialausgleich zunehmende Steuermittel beansprucht.
Keine nachvollziehbaren Berechnungen
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, beanstandet Schäuble, dass Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr keine nachvollziehbaren Berechnungen zu den Kostenwirkungen der Vergütungsreform für Vertragsärzte vorgelegt habe.
Bahr hatte noch im Interview mit der "Ärzte Zeitung" vom 24. Juni die Behauptung des GKV-Spitzenverbandes als "Gespenst" zurückgewiesen, allein für die Ärzte würden Mehrausgaben von drei Milliarden Euro entstehen.
Abschläge in überversorgten Gebieten
Die Argumentation und die Bedenken des GKV-Spitzenverbandes sind nun aber auf offene Ohren bei Schäubles Beamten gestoßen: Danach "sollte daran festgehalten werden, dass in unterversorgten Gebieten Zuschläge und in überversorgten Gebieten Abschläge vorzusehen sind".
Dadurch lasse sich das Niederlassungsverhalten am effektivsten steuern.
Dass andere Ressorts Gesetzesentwürfe überprüfen, sei allerdings ein ganz normaler Vorgang, sagte derweil FDP-Sprecher Wulf Oehme: "Dass es hierbei auch zu unterschiedlichen fachlichen Bewertungen kommen kann, ist ganz normal. Das wird jetzt geklärt."
Er widersprach der Darstellung des "Spiegel", dass Schäuble seinen Ministerkollegen Bahr bremse.
Spahn: "Befremdliche Art und Weise"
Doch selbst aus der Union kam bereits Kritik am Vorgehen Schäubles. "Das Gesetz setzt den erklärten Willen der Koalitionsfraktion um, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu sichern und wieder attraktiver zu machen", sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn der "Ärzte Zeitung".
Dies schaffe man nun durch eine bessere Bedarfsplanung und den Abbau von Überversorgung, "ohne dass es zu spürbaren Ausgabensteigerungen kommt".
Spahn: "Insofern befremdet die Stellungnahme des Bundesfinanzministerium. Noch mehr befremdet aber die Art und Weise. Wenn der Finanzminister noch Informationsbedarf hat, sollte er ihn dem Gesundheitsminister mitteilen, nicht dem Spiegel."
Kritik und Lob vom Vorgehen Schäubles
Die KBV hatte sich bereits in der Vergangenheit für das Versorgungsgesetz ausgesprochen. Abschläge beim Honorar in großen Städten hält sie hingegen nicht für hilfreich. "Ärzte in Großstädten spielen eine sehr wichtige Rolle für die Versorgung der Patienten aus dem Umland", heiß es kürzlich. Ein Beispiel sei etwa die Situation in Berlin und Brandenburg.
Die Grünen äußerten sich hingegen erfreut über die Kritik aus dem Finanzministerium. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Birgitt Bender, sagte: "Es ist gut, dass Herr Schäuble darauf achtet, dass Klientelbeglückung mit der Gießkanne kein politisches Konzept darstellt."
Auch die SPD-Politikerin Carola Reimann zeigte sich erfreut: "Der Finanzminister will bei dem FDP-Wahlhilfeprogramm nicht mitmachen." Schäuble sei in diesem Fall das notwendige Korrektiv.
Der FDP-Politiker Heinz Lanfermann verteidigte den Referentenentwurf gegen die Kritik: "Aus unserer Sicht gibt es keinen Änderungsbedarf." Es sei befremdlich, dass das Finanzministerium sich inhaltlich in die Diskussion einmische und glaube, man habe dort die "intelligenteren Vorschläge". Die finanzielle Größe des geplanten Gesetzes sei zudem mit einem dreistelligen Millionenbetrag "kein Aufreger".
Das Gesundheitsministerium verwies am Montag auf eine "normale Vorgehensweise". Das seien "übliche Gespräche auf Fachebene" innerhalb der Ressortabstimmung, sagte eine Sprecherin des BMG der "Ärzte Zeitung". Bis zur Kabinettsbefassung am 3. August liege dann mit Sicherheit ein Papier vor mit dem alle Ressorts zufrieden seien.