Bund-Länder-Beschluss
Lauterbach muss jetzt nationale Teststrategie überarbeiten
Die Corona-Fallzahlen schnellen in die Höhe. Bund und Länder haben sich daher auf neue Maßnahmen verständigt. Dazu gehört auch die Priorisierung der PCR-Tests. Scharfe Kritik kommt vom Hausärzteverband.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Angesichts knapper Testkapazitäten haben sich Bund und Länder auf eine Priorisierung der PCR-Testungen verständigt. Das teilte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einer Schalte der Regierungschefs am Montagabend in Berlin mit. Da die PCR-Tests angesichts der Masse an Neuinfektionen wegen der deutlich ansteckenderen Omikron-Variante nicht mehr für alle ausreichten, müssten sie künftig auf bestimmte Personengruppen begrenzt sein, sagte Scholz.
Konkret genannt im Bund-Länder-Beschluss werden hierbei das Personal in Arztpraxen, Krankenhäusern, Altenheimen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie Risikopatienten wie Hochaltrige und Menschen mit Vorerkrankungen. Details der Priorisierungsregelung bei den PCR-Tests sollen jetzt von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD), seinen Länderkollegen sowie dem Robert Koch-Institut (RKI) erarbeitet werden.
Wüst: Müssen Testkapazitäten ausbauen
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte, es gehe jetzt auch darum, die notwendigen Testkapazitäten auszubauen. „Da helfen jetzt keine Schuldzuweisungen in die eine wie die andere Richtung“, sagte Wüst, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist. „Wichtig ist, dass wir an der Lage arbeiten, dass das besser wird.“ Lauterbach habe zugesagt, an der Ausweitung der Testkapazitäten zu arbeiten.
Zuvor hatte es Diskussionen innerhalb der Bund-Länder-Runde gegeben, wer für den Mangel an PCR-Tests verantwortlich zeichne – der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) oder sein Nachfolger im Amt, Karl Lauterbach. Wüst betonte, diese Debatte sei wenig zielführend. Die Bundesbürger erwarteten jetzt, dass die Politik die Engpässe beseitige. Fachleute betonten derweil, das Problem seien nicht fehlende PCR-Tests, sondern völlig überlastete Labore.
Angesichts der derzeit hohen Zahl der täglichen Neuinfektionen, der beschränkten Kapazitäten der Gesundheitsämter sowie dem „guten Schutz von geboosterten Personen“ soll es nach dem Willen von Bund und Ländern auch bei der Nachverfolgung der Kontaktpersonen von Infizierten eine Priorisierung geben. Dies solle vor allem dem Schutz vulnerabler Gruppen dienen, hieß es. Die Gesundheitsministerkonferenz soll auch hierzu zusammen mit dem RKI „zeitnah“ umsetzbare Regelungen auf den Weg bringen.
Streit um Genesenenstatus
Zudem soll es „rechtzeitige“ Festlegungen zum Geimpften- und Genesenenstatus geben. Zuvor hatte die kurzfristige Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf drei Monate für erhebliche Aufregung gesorgt. Angesichts der großen Bedeutung dieses Themas sei künftig frühzeitig und umfassend zu informieren, erklärten Bund und Länder am Abend.
Die Runde einigte sich zudem darauf, dass die bisher geltenden Corona-Regeln „grundsätzlich“ weiterhin Bestand haben sollen. Scholz betonte, es gelte jetzt, „Kurs zu halten“. Die Entwicklung der Omikron-Welle werde weiter aufmerksam beobachtet. Drohe eine Überlastung des Gesundheitssystems, müssten gegebenenfalls weitergehende Maßnahmen zur Infektionskontrolle vereinbart werden.
Die Kontrolle über den Pandemieverlauf habe man aber nicht verloren, versicherte Scholz. Bund und Länder würden Öffnungsperspektiven entwickeln für den Moment, zu dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden könne und „man Land“ sehe.
Keine Zeit zum Lockern
Gepusht werden soll auch noch einmal die Impfkampagne. Scholz betonte, man müsse das Tempo bei den Erst-, Zweit- und auch den Auffrischungsimpfungen „hochhalten“. Deutschland sei bei den Impfungen schon weit vorangekommen, „aber noch nicht weit genug“, so Scholz. Auch NRW-Chef Wüst betonte: „Impfen ist der Weg aus der Pandemie.“ Aktuell sind mehr als 73 Prozent der Bundesbürger erst- und zweitgeimpft.
Schon vor der Bund-Länder-Schalte hatte Scholz rasche Lockerungsmaßnahmen ausgeschlossen. Es sei „sicher nicht angebracht, mitten in der Omikron-Welle auf breiter Front die Regeln zu lockern“, sagte der SPD-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ am Montag. „Wir brauchen keine Kurskorrektur.“
Die seit November 2021 geltenden strengeren Regeln wie etwa 2G-Plus hätten bewirkt, dass die Omikron-Welle Deutschland später erreicht habe als seine europäischen Nachbarn, betonte Scholz. Deutschland sei daher gut beraten, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.
Kritik an Söder, Kritik von Hausärzten
Kritisch äußerte sich Scholz zur Ankündigung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der vergangenen Bund-Länder-Runde Anfang Januar, die dort beschlossene 2G-Plus-Regelung für Gastronomie nicht umzusetzen.
Der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Scholz, es sei nicht ungewöhnlich, dass in einem föderalen Staat ein Beschluss nicht zu einhundert Prozent, sondern zu 95 Prozent umgesetzt werde. „Ich will aber gar nicht verhehlen, dass ich es gut fände, wenn auch im Hauptverbreitungsgebiet Ihrer Zeitung 2G-Plus gelten würde.“
Harsche Kritik am Vorgehen von Bund und Ländern äußerte am Montagabend der Chef des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt. Die Politik müsse endlich erklären, was sie tun wolle, „um die extreme Belastung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und insbesondere der Hausärztinnen und Hausärzte und ihren Praxisteams entgegenzuwirken“, so Weigeldt. „Leider scheint das Thema auch bei dieser Ministerpräsidentenkonferenz wieder einmal hinten runtergefallen zu sein.“
Hohe Bürokratielast
Ganz entscheidend sei aktuell, so Weigeldt, die Bürokratiebelastung in den Praxen auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren. „Dass es inzwischen allein über 30 unterschiedliche Ziffern gibt, mit denen Impfungen dokumentiert und abgerechnet werden müssen, ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, dass der bürokratische Aufwand in der Corona-Pandemie sogar noch zugenommen hat“, monierte Weigeldt.
Die Belastung der Hausarztpraxen nehme wegen der stetig steigenden Fallzahlen aktuell stark zu. Die allermeisten Corona-Fälle würden von den Hausärzten versorgt. „Ohne diese starke hausärztliche Versorgung wäre eine Überlastung des Gesundheitswesens unvermeidbar“, zeigte sich Weigeldt überzeugt. (hom)