Experten fordern

Schützt Kinder vor Süßem - per Gesetz!

Wurst in Bärchen-Form, Comic-Figuren auf dem Joghurt - die Werbeindustrie gibt sich alle Mühe, Kinder für ihre Produkte zu gewinnen. Oft sind das aber Zucker- und Fettbomben. Experten fordern jetzt, der Werbung einen Riegel vorzuschieben.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Süße Verlockung: Die Werbeindustrie ködert Kinder mit allerlei Ideen.

Süße Verlockung: Die Werbeindustrie ködert Kinder mit allerlei Ideen.

© Taylor Hintonl / iStock / Thinkstock mit K 892554

BERLIN. Vertreter der Verbraucherorganisation Foodwatch, der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Diabetes-Hilfe "diabetesDE" haben schärfere gesetzliche Regelungen gefordert, um das Marketing für Kinderlebensmittel einzuschränken. Auslöser ist eine aktuelle Foodwatch-Studie, in der 281 Produkte getestet worden waren.

Sie stammen allesamt von Herstellern, die sich 2007 in der "EU Pledge" zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung beim Kindermarketing verpflichtet hatten. Der Test ergab, dass knapp 90 Prozent davon nach Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu süß und zu fett seien. Nur 29 Produkte würden demnach den WHO-Kriterien standhalten.

Zu lasche Nährwertgrenzen

Für die Verbändevertreter ist dies ein Zeichen, dass die Nährwertgrenzen im "EU Pledge" zu lasch und zugleich die Möglichkeit des Kindermarketing zu umfassend seien. Zudem hätten einige Branchengrößen die Selbstverpflichtung nicht unterzeichnet. "Die Lebensmittelbranche stellt sich als Vorreiter im Kampf gegen Übergewicht und Fehlernährung dar und vermarktet gleichzeitig tonnenweise Süßigkeiten und Junkfood gezielt an Kinder", sagte Oliver Huizinga, Foodwatch-Experte für Kindermarketing.

Als Kinderlebensmittel werden jene Produkte bezeichnet, die über Aufschriften, Gestaltungen oder Aktionen insbesondere Kinder ansprechen. Für die Experten sind sie mitverantwortlich dafür, dass heute 15 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig sind und sechs Prozent an Adipositas leiden.

"Marketing für Kinderlebensmittel muss per Gesetz eingedämmt werden, sonst werden Fehlernährung und Adipositas bei Kindern weiter zunehmen", sagte DDG-Geschäftsführer Dr. Dietrich Garlichs. Das jüngst beschlossene Präventionsgesetz nannte er "keine ausreichende Hilfe", da es auf die "alte Strategie von Information und Aufklärung" setze.

Es gehe jetzt darum das "adipogene Umfeld" zu verändern, in dem zu jeder Zeit und an jeder Ecke Fast Food und Softdrinks angeboten werden. Diese "Verhältnisprävention" sei nur über strengere, gesetzliche Auflagen möglich.

Thilo Bode, Foodwatch-Geschäftsführer, warf der Bundesregierung vor, die Problematik des falschen Ernährungsverhaltens nicht erkannt zu haben. Christian Schmidt (CSU) sei als Ernährungsminister fehl am Platz, da er sich offensichtlich vor gesetzlichen Regelungen scheue.

Hohe Gewinnspanne bei Softdrinks

Bei Softdrinks liege die Gewinnspanne zum Beispiel bei 16,7 Prozent, bei Obst nur bei 4,5 Prozent. Die Industrie untergrabe daher, so Bode, aus Profitinteresse die Erziehungsmöglichkeiten der Eltern.

Dr. Stefanie Gerlach von diabetesDE verwies darauf, dass auf EU-Ebene derzeit ein Gesetz vorbereitet werde. Es sei jetzt die "Stunde der Gesundheitsaktivisten", dies auch in Deutschland voranzubringen. Sie empfahl, sich an dabei an dem aktuellen "Nährstoff-Profiling" der WHO Europa zu orientieren.

Diese erlaube beispielsweise bei Kinder-Frühstücksflocken einen Zuckergehalt von maximal 15 Prozent; die "EU Pledge" hingegen bis zu 30 Prozent.Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) hat unterdessen die Foodwatch-Studie in einer Presseerklärung als "unseriös und effektheischend" kritisiert.

BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff wirft darin Foodwatch vor, "sichere und qualitativ hochwertige Lebensmittel aufgrund von Nährwertprofilen, die eine reine Empfehlung und keine verpflichtende Vorgabe darstellen" zu verunglimpfen".

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mit Kindern bitte ehrlich sein!

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Nutzen und Schaden abwägen

Brustkrebs: Informierte Frauen neigen zu späterem Mammografie-Screening

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tödlicher Einzeller im Hirn

Fallbericht: Amöbenenzephalitis nach Verzehr von rohem Fleisch?

Metaanalyse von zehn RCT-Studien

Antiemetische Therapie: Ein Tag Dexamethason genügt

Lesetipps
Eine Frau mit diversen Erkrankungen

© Sebastian / stock.adobe.com / generated AI

Diagnose-Prävalenzen

Wo Autoimmunerkrankungen besonders häufig auftreten

Verpackung des Wirkstoffs Tirzepatid (Mounjaro) mit Aufziehspritze daneben

© Olaf Kunz / stock.adobe.com

SUMMIT-Studie

Tirzepatid auch erfolgreich bei Herzinsuffizienz-Therapie