Schwerbehinderung: LSG urteilt familienfreundlich
Ab welchem Einkommen der engsten Familienangehörigen müssen diese für schwerbehinderte Kinder Unterhalt leisten? Diese Frage klärte jetzt das Landessozialgericht Celle. Die Entscheidung ist übertragbar auf die Unterstützung alter Menschen durch ihre Kinder.
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Nur wer ein wirklich sehr hohes Einkommen hat, muss selbst für den Unterhalt volljähriger behinderter oder schwer kranker Kinder aufkommen, urteilte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.
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CELLE (mwo). Nur bei wirklich sehr hohen Einkommen müssen Eltern selbst für den Unterhalt volljähriger behinderter oder schwer kranker Kinder aufkommen.
Ansonsten sieht das Gesetz die Gesellschaft und damit die Sozialhilfe in der Pflicht, heißt es in einem veröffentlichten Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle.
Auch übertragbar auf die Unterstützung alter Menschen durch ihre Kinder
Die Entscheidung ist übertragbar auf die Unterstützung alter Menschen durch ihre Kinder.
Schwer Kranke und behinderte Menschen, die nicht selbst für sich sorgen können, haben Anspruch auf "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" von der Sozialhilfe.
Grenze liegt bei 100.000 Euro pro Jahr
Die jeweiligen Eltern oder auch die Kinder müssen laut Gesetz nur dann für sie aufkommen, wenn ihr Einkommen höher ist als 100.000 Euro pro Jahr.
Allerdings ist umstritten, ob diese Grenze für jeden Elternteil einzeln oder für beide gemeinsam gilt.
Landessozialgericht: Einkommensgrenze müsse für jedes Elternteil einzeln gelten
Im Fall eines psychisch Kranken aus Niedersachsen entschied nun das Landessozialgericht in Celle, die Einkommensgrenze müsse für jedes Elternteil einzeln gelten.
Bei der Neuordnung der Sozialhilfe habe der Gesetzgeber "bewusst weitgehend auf einen Unterhaltsrückgriff gegenüber Eltern und Kindern verzichtet", um die Betroffenen aus der versteckten Armut zu holen.
Für den Lebensunterhalt schwer kranker und behinderter Menschen müsse vorangig die staatliche Gemeinschaft einstehen
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers habe für den Lebensunterhalt schwer kranker und behinderter Menschen "vorrangig die staatliche Gemeinschaft einzustehen".
Daraus folgert das LSG, der Gesetzgeber habe nur nahe Angehörige mit "sehr hohen Einkommen" zu einem eigenen Beitrag heranziehen wollen. Würde die Grenze von 100.000 Euro aber auf beide Eltern gemeinsam bezogen, "würden auch Bezieher mittlerer Einkommen erfasst".
Höchstrichterlich ist die Streitfrage noch nicht entschieden. Mit seinem am 28. Juli 2011 verkündeten und jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil ließ das LSG die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zu.
Az.: L 8 SO 10/09