Hausärzte berichten
So bereiten sich Praxen auf die COVID-19-Impfung vor
Nach Ostern sollen die Praxen gegen Corona impfen können. Zwei bayerische Hausärzte berichten, wie sie die Impftermine managen werden und sich auf die verschiedenen Impfszenarien vorbereiten. Denn noch ist völlig unklar, wann wie viel Impfstoff in den Praxen ankommt.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Die Hausärzte stehen in den Startlöchern. „Die Motivation bei den Niedergelassenen ist schon hoch, zu zeigen, wie leistungsfähig wir sind. Und dass wir das Impfruder rumreißen können“, sagt der Regensburger Hausarzt Dr. Roman Herzog. Am Mittwoch nach Ostern soll es soweit sein: Ab dann sollen die Praxen gegen Corona impfen.
Auch Dr. Matthias Bauer, Hausarzt in Beilngries, ist von der Leistungsfähigkeit der Niedergelassenen überzeugt. „Wenn ich wirklich nur impfen muss, schaffen wir in einer Stunde locker 15 bis 20 Impfungen“, berichtet er. Anfangs seien es sicherlich etwas weniger, räumt er ein, weil die Patienten zum Start der Impfungen vielleicht noch ein paar mehr Fragen hätten. Beim Impfstoff von BionTech/Pfizer sei zudem das Handling aufwändiger, das müsse sich einspielen. „Aber ich habe 22 Helferinnen in der Praxis, wenn die mit eingewiesen sind, dann schlage ich wahrscheinlich jedes Impfzentrum.“ Dabei weiß der Allgemeinmediziner, wovon er spricht, denn er ist im Landkreis Eichstätt als Versorgungsarzt der KV Bayerns tätig und impft bereits für die Zentren als Satellitenpraxis immobile Patienten zu Hause.
Auch Impf-Termine am Wochenende geplant
Herzog, der erst seit zwei Jahren als niedergelassener Hausarzt arbeitet und eigentlich in der Anästhesie angefangen hat, will mit seinen fünf Arztkollegen die Gemeinschaftspraxis am Rennplatz sogar am Wochenende für Impftermine öffnen. In der Praxis sind außer ihm ein weiterer Allgemeinarzt, drei Rheumatologen und ein Reha-Mediziner tätig. „Wenn es wirklich gut läuft und wir genug Impfstoff bekommen, würden wir samstags oder sogar sonntags aufsperren.“
Aber es hängt eben an der Vakzinmenge. „Wir wissen noch nicht, was wir bekommen, wie viel wir bekommen und wann wir es bekommen“, so Herzog. Und auch die Apotheken, über die die Praxen beliefert werden sollen, tappten noch weitestgehend im Dunkeln. Bauer bestätigt dies: „Die Apotheken wissen noch nichts.“ Derzeit stehe nur fest, dass sie montags früh die Impfstoffe erhalten sollten, die dann bis zum Nachmittag wiederum in den Praxen sein sollten. Unklar ist dabei auch, mit wie viel Vorlauf die Ärzte die Impfstoffdosen bei den Apotheken bestellen müssen. „In den Impfzentren ist es so, dass dort die Bestellungen für den Corona-Impfstoff von BioNTech/Pfizer mit eineinhalb Wochen Vorlauf eingehen müssen, beim AstraZeneca-Impfstoff geht es etwas schneller, da ist es nur eine Woche“, sagt Bauer.
Mittlerweile hat die KBV vermeldet, dass die Bestellungen jeweils bis Dienstag 12 Uhr für die Folgewoche bei den Apotheken eingegangen sein müssen.
Anfangs sehr überschaubare Impfstoffmengen
Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel werden die Praxen zunächst aber lediglich mit etwa 20 Impfdosen pro Woche rechnen können. In Bayern sollen es laut Herzog anfangs sogar nur zehn Dosen sein.
Eine sehr überschaubare Größenordnung, die problemlos neben dem normalen Praxisbetrieb laufen kann. Dennoch haben sich Herzog und seine Kollegen wie auch Bauer längst auf einen größeren Impfansturm vorbereitet.
Beide Praxen setzen dabei auf einen digitalen Telefonassistenten. Der auf künstlicher Intelligenz basierende Assistent stammt vom Berliner Unternehmen Aaron.ai und arbeitet mit einem Algorithmus, der es ihm erlaubt, die anrufenden Patienten über einen Fragenkatalog durchs Gespräch zu lenken.
Normalerweise soll der Telefonassistent die Anmeldung entlasten, die Praxismitarbeiterinnen können die Telefonate – je nach Dringlichkeit – dann nacharbeiten, wenn sie im Praxisalltag Zeit dafür haben. Wobei Notfälle während der Sprechzeit herausgefiltert und über eine praxisspezifische Ansage an den Notruf oder die Praxisnotrufnummer verwiesen werden.
Spezielle Impf-Rufnummer wird geschaltet
Für die Impf-Termine will der Anbieter nun eine spezielle Impf-Rufnummer bereitstellen. „Die Praxen können diese separate Nummer auf ihrer Website, dem Anrufbeantworter oder in der Praxis kommunizieren. Dort können sich Patienten dann für die Impfung voranmelden“, erklärt Aaron.ai-Geschäftsführer Richard von Schaewen. Die Praxen müssten selbst keine zusätzliche Technik vorhalten und der Telefonassistent könne unbegrenzt viele Gespräche entgegennehmen. Eine Anbindung an die Praxisnummer sei jedoch auch möglich.
Abgefragt würden neben dem Alter der Patienten auch etwa Vorerkrankungen. Die Praxis erhält laut von Schaewen eine Liste mit den vorangemeldeten Patienten – mit strukturierten Infos zu den Patienten – und könne nach Dringlichkeit entscheiden, wer zuerst einen Impftermin erhalten soll. „Die Info kann dann per SMS, E-Mail oder Anruf erfolgen.“
Patienten können Termine vorbuchen
In der Gemeinschaftspraxis am Rennplatz wollen Herzog und seine Kollegen tatsächlich erst diese Option der Voranmeldung nutzen. „Ich denke schon, dass die Patienten sich bei uns melden, wenn das bekannt wird.“ Die Medizinischen Fachangestellten könnten unmöglich alle Telefonate entgegennehmen oder die Patienten alle antelefonieren. „Dann legen wir alle anderen Tätigkeiten lahm“, ist der Regensburger Hausarzt überzeugt.
Wenn der erste Ansturm bewältigt ist, kann er sich aber durchaus vorstellen, den Patienten über den Telefonassistenten und die Praxissoftware die Möglichkeit zu bieten, direkt Impftermine zu buchen. Im System würden dann spezielle Impf-Slots hinterlegt. Allerdings: „Unsere zwei Nachbarpraxen und die eigene sind zunächst nicht als impfende Praxen für die erste Aprilwoche vorgesehen“, berichtet Herzog. Die KV habe einzelne Praxen ausgesucht, die zuerst impfen.
„Viele Patienten warten, bis wir in der Praxis impfen dürfen“
Bauer verfolgt eine etwas andere Strategie. In der „Unklarheitsphase“, wie er es nennt, arbeitet die Praxis nach einer selbst erstellten Liste, auf der sie alle Patienten mit hoher Impfpriorität führt. Wenn diese Patienten soweit versorgt seien und eine gewisse Stabilität in der Impfstoff-Lieferkette an die Praxen gegeben ist, sollen sich die Patienten ebenfalls über den Telefonassistenten selbst anmelden können.
Dass der Ansturm auf die Praxen groß sein wird, glauben beide Ärzte. „Geschätzt sind es vielleicht 10, 15 Prozent meiner Patienten, die sich zentral hier in Bayern über das Impfportal BayIMCO für einen Termin in einem Impfzentrum angemeldet haben. Der Rest wartet, bis wir in der Praxis impfen dürfen.“
Ähnliches berichtet Herzog. „Ich hatte allein in der vergangenen Woche fünf Patienten, die mir gesagt haben, also wenn Sie impfen, mache ich das, aber in ein Impfzentrum gehe ich nicht.“ Viele, gerade ältere Semester, scheuten die Anonymität in den Impfzentren. „Und sie wollen nicht einem fremden Arzt eine halbe Stunde erzählen, was sie alles an Vorerkrankungen haben“, ergänzt Bauer. Das Vertrauensverhältnis, das die Hausärzte zu ihren Patienten haben, werde derzeit in der Impfstrategie viel zu sehr unterschätzt, stellen beide Ärzte klar.
Patienten fragen nach Impfnebenwirkungen
Das beste Beispiel dafür: Die medial diskutierten Nebenwirkungen des AstraZeneca-Impfstoffs, die viele Patienten verunsichert hätten und letztlich ja auch zu einem zeitweisen Impfstopp mit besagtem Impfstoff geführt hatten. „Es war die Nachricht im Radio noch nicht ausgesprochen, da hat das Telefon schon geklingelt und wir hatten die ersten vier Patienten mit Kopfschmerzen nach einer AstraZeneca-Impfung“, berichtet Bauer. Es hätten sich aber auch Patienten gemeldet, die mit einer der anderen Corona-Vakzine geimpft worden sind.
Er könne die Patienten dabei durchaus verstehen, gerade deshalb würde er sich manchmal etwas mehr Zurückhaltung bei den Medien wünschen. „Wir haben ja im Moment das Problem, dass jeder Radiosender, jede Zeitung, jeder Fernsehsender früh morgens, mittags und abends etwas Neues erzählen muss“, moniert er. „Aber ob ich wegen der Verdopplung eines extrem geringen Risikos einer Thrombose das breittreten muss? Ich weiß es nicht.“
Zum Hausarzt hat man mehr Vertrauen
Letztlich zeigt aber gerade auch das Beispiel AstraZeneca, warum es sinnvoll ist, die Praxen in die Impfstrategie einzubeziehen. Die 30-jährige Patienten, die die Pille nimmt, zwei Kinder habe, etwas übergewichtig sei und schon einmal eine Thrombose hatte, würde Bauer nicht mit dem AstraZeneca-Impfstoff impfen, sagt er. „Der 25-jährige, männliche Patient, der noch nie Probleme hatte, kann den Impfstoff aber natürlich bekommen.“ Dazu muss man die Patienten aber eben kennen.
Mehr Spielraum bei Härtefällen notwendig
Für Herzog gibt es noch ein weiteres Argument, das für die Impfung in den Praxen spricht. Seine Kollegin Professor Hilke Brühl habe mehrfach versucht, einen 80-Jährigen Rheuma-Patienten vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie zur Corona-Impfung anzumelden. „Keine Chance, das Impfzentrum hat weder auf Fax noch aufs Telefonat reagiert. Und es gibt keine Kontaktmöglichkeiten im Netz“, so Herzog. Die Praxen hätten keinerlei Info, wie man mit solchen medizinisch indizierten Härtefällen bei der Impfpriorisierung umgehe bzw. welche Chancen es gebe, diese ausnahmsweise vorzuziehen. Hier erhofft sich der Arzt – wie gesagt für die Fälle, bei denen eine Therapie davon abhängt und es medizinisch indiziert ist – mehr Spielraum.
Dr. Roman Herzog
- Facharzt für Anästhesiologie und Allgemeinmedizin
- arbeitet als niedergelassener Hausarzt in der fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis am Rennplatz in Regensburg zusammen mit fünf weiteren Ärzten
- Werdegang: 2000-2006 Studium der Humanmedizin an der Universität Regensburg; 2007-2012 Weiterbildung in der Anästhesiologie, Uniklinik Regensburg; 2017-2018 Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in der Gemeinschaftspraxis am Rennplatz, Regensburg, seit 2019 Partner in der Praxis
Dr. Matthias Bauer
- Facharzt für Allgemeinmedizin
- seit 2011 niedergelassener Hausarzt in Beilngries
- die Praxis hat Zweigstellen in Berching und Kipfenberg
- neben Bauer sind vier weitere Ärzte und 22 MFA in der Praxis und ihren Zweigstellen tätig