Spahn will der PKV an den Kragen

Die Private Krankenversicherung muss um ihre Existenz fürchten. CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn will die Trennung von PKV und GKV abschaffen. Aber noch ist sein Vorschlag in der Koalition nicht salonfähig. Die PKV reagiert empört - und erhält Unterstützung von der Bundesärztekammer.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Jens Spahn will einen einheitlichen Versicherungsmarkt schaffen.

Jens Spahn will einen einheitlichen Versicherungsmarkt schaffen.

© Wolf P. Prange / imago

BERLIN. Jetzt kommt es ganz dicke für Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Die Debatte um die Verwendung der Kassenüberschüsse hat er noch nicht vom Hals, in Nordrhein-Westfalen steht ihm in den nächsten acht Wochen ein Wahlkampf bevor, dessen Ausgang sein politisches Gewicht beeinflussen könnte.

Und jetzt grätscht ihm der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, mit einem Vorschlag zur Zukunft der privaten Krankenversicherung von hinten in die Beine.

Spahn hatte in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" gefordert, einen einheitlichen Versicherungsmarkt zu schaffen und die Trennlinie zwischen der privater und gesetzlicher Krankenversicherung aufzuweichen. Dass nur Gutverdiener, Beamte und Selbstständige sich privat versichern können, sei nicht mehr zeitgemäß.

Singhammer gegen Spahns Pläne

Bei Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) stieß Spahns Vorstoß auf wenig Gegenliebe. Das sei nicht mit ihm abgestimmt, entspreche nicht seiner Meinung und nicht dem Koalitionsvertrag.

Darin heißt es: "Neben der gesetzlichen Krankenversicherung sind für uns die privaten Krankenversicherungen als Voll- und Zusatzversicherung ein konstitutives Element in einem freiheitlichen Gesundheitswesen."

Dass das Geschäft der Vollversicherung in der PKV wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt ist, haben in jüngerer Zeit auch Politiker aus dem Regierungslager eingeräumt. Wie sie zukunftssicher werden könne, müsse sie jedoch selbst regeln, so Singhammer. Die Politik könne hier nur bedingt eingreifen.

Der Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, Volker Leienbach, reagierte empört auf Spahns Äußerungen. Spahn betreibe "kurzsichtige Gedankenspiele" und gefährde damit die gute Gesundheitsversorgung in Deutschland.

Die Versorgung könne nur mit Hilfe des "stabilen Finanzbeitrags" der PKV gesichert werden.

Montgomery: Politik sollte PKV stärken

Die Ärzteseite sprang der PKV zur Seite: "Die Koexistenz von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zählt zu den Stärken des deutschen Gesundheitssystems", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery.

Die notwendige Weiterentwicklung des GKV-Systems durch eine Destabilisierung der PKV lösen zu wollen, sei der falsche Weg. Montgomery forderte die Politiker aller Parteien auf, die Private Krankenversicherung zu stärken statt sie durch eine Diskussion um einen einheitlichen Versicherungsmarkt zu unterminieren.

Der GKV-Spitzenverband wollte den Spahn-Vorschlag nicht kommentieren, solange in der Union keine Einigkeit herrsche.

Graalmann: Spahn sieht GKV besser aufgestellt für künftige Aufgaben

Dafür meldete sich die AOK zu Wort. Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann findet es bemerkenswert, "dass nun auch die Union die Zukunft der PKV angesichts der massiv steigenden Prämien für Privatversicherte als sozialpolitische Frage wertet".

"Erfreulich ist, dass Jens Spahn offensichtlich die GKV besser aufgestellt sieht für die künftigen Herausforderungen", so Graalmann.

Dafür sei mehr Wettbewerb um eine gute qualitative und wirtschaftliche Versorgung nötig, aber "keine Risikoselektion und auch keine Einheitskasse". Mit einem gleichberechtigten Versicherungsmarkt könne die AOK gut leben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: CDU entlässt sich aus der Geiselhaft

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Kommentare
Stephan Kamm 16.03.201212:40 Uhr

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Wie mein Vorredner Andor Nemenyi schon kommentiert hat, handelt es sich erkennbar um das Aufgreifen einer politischen Richtung, die, transportiert durch Talkshows, Diskussionen etc. inzwischen zur Reife gekommen ist.
In Deutschland beginnen sich nun auch die trägen, konservativen Massen in die Richtung von mehr Gerechtigkeit und gegen elitäre Abschottung zu bewegen. Und das hat auch die CDU erkannt. Um an der Macht zu bleiben ist hier jeder Weg recht. Fragt sich, ob der unbestreitbare Volkswille, den Herr Spahn hier anspricht, sich gegen die Lobbyarbeit der PKV und gegen die elitäre Grundstimmung unter der Parlamentariern (die ja selbst nahezu alle privta versichter sind) durchsetzen kann...

Erschüttert bin ich jedoch, von der gierigen Mentalität unserer ärztliche Kollegen und Vertreter. Wie kann man seinen montären Interessen (Zweikassensystem) über die der Patientenschaft stellen. Ich schäme mich für Herrn Montgomery und für all die Kollegen, die zuerst an Ihren Geldbeutel denken...

Aber: Bravo Herr Spahn, ich wünsche Ihnen Mut und Durchhaltevermögen!!

Andor Nemenyi 15.03.201217:40 Uhr

Taktische Gedankenspiele...

Na ja, nachdem die Merkel den Grünen den Atomausstieg weggenommen hat und sich gerade für die Forderung der Linkspartei nach einer Finanzmarktsteuer einsetzt, könnte man meinen, dass sie vielleicht noch schnell vor der nächsten Bundestagswahl eine CDU-Bürgerversicherung einführt...
Ich halte dies dennoch für sehr unwahrscheilich, allein die Zeit reicht dafür gar nicht mehr. Vom Koalitionsvertrag mal ganz abgesehen...
Dennoch sind diese Gedankenspiele, die von Jens Spahn in die Welt gesetzt wurden, in Wahrheit Frau Merkels taktische Gedanken: Damit bereitet sie die große Koalition vor, die nach der nächsten Bundestagswahl fast die einzige Regierungsoption darstellen wird. Denn für Rot/Grün wird es schon wegen der Piratenpartei nicht mehr reichen, die FDP ist sowieso schon weg und die Linkspartei hat sich auch ins Abseits manövriert...

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