Nationale Demenzstrategie

Spahn will professionelle Demenz-Netzwerke ausbauen

Gesundheitsminister Spahn will Demenz-Netzwerke aus Ärzten, Heimen und Pflegediensten stärken. Dies sei ein „Baustein“ der nächsten Pflegereform und jene sei nicht abgeblasen, nur verschoben.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Forschungsministerin Karliczek , Familienministerin Giffey und Gesundheitsminister Spahn stellen bei einer Diskussionsrunde die Nationale Demenzstrategie vor.

Forschungsministerin Karliczek , Familienministerin Giffey und Gesundheitsminister Spahn stellen bei einer Diskussionsrunde die Nationale Demenzstrategie vor.

© Hannibal Hanschke/Reuters/Pool/dpa

Berlin. Haus- und Fachärzte sollen bei der Versorgung von Demenzkranken stärker unterstützt werden. Das hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beim Startschuss der „Nationalen Demenzstrategie“ am Mittwoch in Berlin angekündigt.

Konkret gehe es darum, „professionelle Netzwerke“ für Demenzkranke – bestehend aus Ärzten, Pflegeheimen und Pflegediensten – finanziell stärker zu unterstützen und auszubauen. Hebel dafür soll laut Spahn Paragraf 45c im elften Sozialgesetzbuch sein. Dort ist die Förderung von Modellprojekten geregelt, in denen auch neue Versorgungskonzepte für an Demenz erkrankte Pflegebedürftige erprobt werden können.

Paragraf 45c SGBV XI als Hebel

Der Ausbau professioneller Demenz-Netzwerke werde „ein kleinerer, aber für die Betroffenen sehr, sehr wichtiger Baustein“ der geplanten Pflegereform sein, sagte Spahn. Entgegen anderslautender Behauptungen sei die Pflegereform nicht abgeblasen. Wegen Corona verschiebe sich diese lediglich. Noch in diesem Herbst wolle er die Debatte darüber anstoßen.

Ziel der Demenzstrategie ist es, die Krankheit stärker ins öffentliche Bewusstsein zu tragen und Betroffenen wie Angehörigen mehr Unterstützung zukommen zu lassen. Menschen mit Demenz müssten „Teil der Gesellschaft bleiben können“, nötig sei dafür ein „offenes Klima für den Umgang mit dieser Erkrankung“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung des Gesundheits-, des Senioren- und des Forschungsministeriums.

Die drei Ministerien zeichnen verantwortlich für die Demenzstrategie. Daneben ist ein breites Bündnis aus Ländern, Kommunen, Selbsthilfeorganisationen sowie öffentlichen und privaten Partnern beteiligt. Vorausgegangen waren vier Fachforen, in den 250 Experten und Betroffene Erfahrungen einbringen konnten. In Deutschland sind mehr als 1,6 Millionen Menschen an Demenz erkrankt.

An Demenz erkrankte Menschen könnten noch „sehr lange aktiver Teil der Gesellschaft bleiben, wenn die Gesellschaft sich darauf einstellt“, sagte Seniorenministerin Dr. Franziska Giffey (SPD). Bürgermeister, Busfahrer, Schaffner, Ärzte oder Mitarbeiter von Behörden seien speziell im Umgang mit der Demenz zu schulen.

Der Bund werde das Angebot der lokalen Demenz-Allianzen ausbauen, kündigte Giffey an. Schon heute gebe es 500 dieser Anlaufstellen. Ab Oktober sollten 150 zusätzliche Allianzen mit 10.000 Euro pro Jahr für einen Zeitraum von insgesamt drei Jahren gefördert werden.

Angehörige stärker entlasten

Ein „Riesenthema“ sei die Entlastung pflegender Angehöriger, so Giffey. Sie stellten den „größten Pflegedienst der Nation“. Da viele Angehörige berufstätig seien, brauche es Angebote zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.

Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, erfolgreiche Demenzforschung setze „valide Daten“ voraus. Erste Studien wiesen darauf hin, dass eine Demenzerkrankung einen jahrelangen Vorlauf habe. Mit Blick auf die Prävention sei das eine wichtige Botschaft. Gleichwohl seien Ursachen und Entstehung einer Demenzerkrankung weiter zu erforschen. „Ursachenforschung zu betreiben ist das eine, das andere ist die Frage, was brauchen die erkrankten Menschen.“ Zu diesem Zweck fördere das Forschungsministerium bereits das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen mit rund 80 Millionen Euro im Jahr.

Die Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Monika Kaus sagte, die Demenzstrategie sei unter „zähem Ringen“ entstanden. Ein wichtiger Punkt sei die Aufklärung der Gesellschaft. Die habe bei Kindern und Jugendlichen zu beginnen.

Demenzkranke und ihre Angehörigen bräuchten mehr Unterstützung, so Kaus. „Wir hätten uns in jeder Kommune einen festen Ansprechpartner gewünscht.“ Das sei wegen der unterschiedlichen Infrastruktur vor Ort nicht möglich gewesen.

Brysch: Es hapert an Umsetzung!

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, seit über zehn Jahren jage ein Demenz-Konzept das nächste. „Doch allein der Titel ändert sich, die Probleme bleiben.“ Es hapere in Deutschland nicht an Erkenntnissen, sondern an der Umsetzung, demenziell erkrankte Menschen in die Gesellschaft zu integrieren, sagte Brysch der „Ärzte Zeitung“ am Mittwoch.

Nötig sei auch ein Pflegezeitgeld ähnlich dem Elterngeld, sagte Brysch. Zudem brauche es einen Rechtsanspruch auf Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tagespflege. Für Demenzpatienten in Kliniken müsse eine „professionelle Begleitperson garantiert sein“.

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