Kommentar zur Nationalen Demenzstrategie
Mehr tun für die Krankheit des Vergessens
Deutschland altert rasant. Eine Folge: Immer mehr Menschen erkranken an Demenz. Die „Krankheit des Vergessens“ mutiert zum Volksleiden. Heute sind bereits über 1,6 Millionen Menschen erkrankt. Im Jahr 2050 könnte die Zahl die 2,8 Millionen-Marke überspringen.
Darauf müssen Gesellschaft, Medizin und Pflege vorbereitet sein. Deshalb hat die Bundesregierung eine „Nationale Demenzstrategie“ aufgelegt: Darin enthalten sind gut zwei Dutzend Kernziele zu Versorgung, Unterstützung und Forschung – hinterlegt in gut 160 Einzelmaßnahmen.
Dazu zählen ein besseres Schnittstellenmanagement, demenzsensible Kliniken, Heime und Praxen, beratende Angebote auf lokaler Ebene und eine Info-Kampagne. Gut so! Aber ob das reicht, um die Demenz aus dem Abseits zu holen, bleibt abzuwarten. Und genau da befindet sich die Krankheit noch immer – machen wir uns nichts vor.
Eine der Großbaustellen liegt in der Unterstützung pflegender Angehöriger. Sie schultern eine Riesenlast. Richtig: Im Zuge der politischen Pflegereformen haben Pflege-Angehörige in den vergangenen Jahren Entlastung erfahren. Lücken bleiben dennoch. Es fehlen Ansprechpartner und Lotsen, die bei Fragen weiterhelfen, Ängste nehmen, Alltag organisieren.
Eine Umfrage für den kürzlich erschienenen Pflegereport des Wissenschaftlichen Instituts der AOK belegt, wie nötig solche Angebote sind: Jeder vierte stark belastete Angehörige kann die Pflegesituation demnach nur noch unter Schwierigkeiten oder eigentlich gar nicht mehr stemmen. Unter den Angehörigen, die Demenzkranke versorgen, gibt das sogar ein Drittel der Befragten an.
Lässt die Politik diese Menschen allein, drohen aus pflegenden Angehörigen schnell selbst Pflegebedürftige zu werden. Die Rechnung des Nichts-Tuns fiele – auch in diesem Fall – höher aus als die des Tuns. Die nächste Pflegereform bietet eine Chance zum Handeln.
Schreiben Sie dem Autor: thomas.hommel@springer.com