Verordnungsermächtigung geplant
Spahn will selbst über neue Kassenleistungen entscheiden
Nach dem Willen von Jens Spahn soll das Bundesgesundheitsministerium mehr Macht erhalten - und neue GKV-Leistungen ganz ohne GBA-Beschluss durchdrücken können, etwa die Fettabsaugung. Diese Pläne verstören viele, doch es gibt auch Zustimmung.
Veröffentlicht:BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will die Macht des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) begrenzen.
In einem Änderungsantrag, der an das Terminservicegesetz angeflanscht werden soll, schlägt er eine Verordnungsermächtigung vor, um die Liposuktion bei Lipödem als GKV-Leistung zu etablieren.
Es gehe darum, betroffenen Frauen „schnell und unbürokratisch“ zu helfen, teilt Spahn mit. Ab Herbst könnte das „Fettabsaugen“ dann Kassenleistung werden, heißt es.
Die „Formulierungshilfe“ aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht aber noch viel weiter. Mit einer Verordnungsermächtigung würde dem Ministerium Prokura gegeben, Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ins GKV-System zu heben, und zwar auch dann, wenn sich der GBA damit noch gar nicht befasst oder diese Leistung ausdrücklich abgelehnt hat.
Entsprechenden Entscheidungen stehe auch das Wirtschaftlichkeitsgebot im SGB V nicht entgegen, heißt es in dem Papier, das der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.
Ermächtigen lassen will sich Spahn in dem geplanten Paragrafen 94a gleich auch, Qualitätsanforderungen an die Leistungserbringung und Vorgaben für die Vergütung regeln zu können.
Fraktionskollege überrascht
Streit im GBA um die Liposuktion
März 2014: Die Patientenvertretung im GBA stellt den Antrag, das „Fettabsaugen“ bei Lipödem als Methode zu prüfen.
Im Juli 2017 lehnt der GBA die Liposuktion als Kassenleistung ab. Weil ein Potenzial für einen Nutzen der Methode erkannt wurde, beschließt er eine Erprobungsstudie. Die Bewertung bleibt bis September 2022 ausgesetzt.
Aktuell läuft das Vergabeverfahren für eine wissenschaftliche Institution, die die Erprobungsstudie konzipiert und wissenschaftlich begleitet.
Spahns Fraktionskollege Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Bundesgesundheitsausschusses, zeigte sich „mehr als überrascht“ von dem Vorstoß. „Mir geht Evidenz klar vor Schnelligkeit“, sagte Rüddel der „Ärzte Zeitung“.
Das BMG mit derart weitreichenden Ermächtigungen auszustatten, wäre für ihn „der Türöffner in ein anderes Gesundheitssystem“. Ein solcher „Paradigmenwechsel“ könne nicht ernsthaft im Rahmen eines Änderungsantrags zum TSVG diskutiert werden, mahnte Rüddel.
„Systemfremd, unangemessen, überzogen“, lautet das Urteil von GBA-Chef Professor Josef Hecken. Mit der BMG-Ermächtigung wäre „der Weg in die Beliebigkeit und Staatsmedizin programmiert“. Auch nach geltender Rechtslage hätte das BMG längst die Möglichkeit gehabt, die Liposuktion zur Kassenleistung zu machen, so Hecken.
SPD und Grüne nicht begeistert
Vergrätzt reagierte auch die SPD. Es könne nicht „ernsthaft gewollt sein, dass künftig Parallelstrukturen im Regierungsapparat losgelöst von wissenschaftlichen Prozessen und Erkenntnissen über Behandlungsmethoden entscheiden“, sagte Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
Für Maria Klein-Schmeink (Grüne), schüttet Spahn „das Kind mit dem Bade aus“. Sein Vorschlag würde nicht nur die Sicherheit der Patienten gefährden, sondern auch „wirtschaftlichen Interessen Tür und Tor öffnen“. Sinnvoller wäre es, das Gewicht der Patientenvertreter im GBA zu stärken.
Dass dem GBA im Fall der Liposuktion „Beine gemacht werden“, bezeichnet die grüne Gesundheitspolitikerin als richtig. Es gebe unbestritten GBA-Verfahren, die sich zu lange hinziehen, hieß es unisono von Union, SPD und Grünen.
KBV lehnt Spahns Ansinnen ab
Die KBV äußerte sich zurückhaltend im Ton, aber eindeutig im Ergebnis – sie lehnt das Ansinnen Spahns ab. Die Regelung würde dem Ministerium den „Weg von der Rechts- zur Fachaufsicht ebnen“, heißt es in einer Stellungnahme.
Es sei „nicht ersichtlich, auf welcher tragfähigen wissenschaftlichen Basis das BMG negative Entscheidungen des GBA durch die Rechtsverordnung korrigieren will“.
Auch würde ein solches Vorgehen die Abkehr von dem Grundsatz bedeuten, dass ein positives Nutzen-Schaden-Verhältnis eine Voraussetzung für die Aufnahme in den GKV-Katalog sein muss.
DKG begrüßt Spahns Vorstoß
Zustimmung erhielt Spahn dagegen von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Sie begrüßte Spahns Vorstoß als „Initiative, um die „Innovationsfähigkeit des Gesundheitswesens zu stärken“.
Die seit Jahren anhaltende Diskussion um die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) ist für die DKG „ein Beispiel des Versagens“.
Diese Diagnostik sei bei Krebserkrankungen in anderen Ländern fester Teil der Versorgung. Dagegen werde in Deutschland „selbst im Jahr 2019 diese notwendige Leistung noch diskutiert“.
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 11.01.2019 um 17:11 Uhr.
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