Spahns Mini-Pflegereform
Spahns Pflegereform: Tarifpflicht und Eigenanteil-Bremse
Pflege bleibt eine Baustelle für die neue Regierung, trotz Spahns Mini-Pflegereform. Zwei der ab September 2022 geplanten Maßnahmen stechen heraus: Tarifpflicht und Eigenanteil-Bremse.
Veröffentlicht:Berlin. Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war auf der Reformbaustelle Pflege fleißig wie kaum ein anderer: Stellenprogramme für Heime, Personaluntergrenzen in Kliniken, Herausnahme der Pflege aus den DRG, 100-prozentige Refinanzierung von Pflege-Tarifsteigerungen durch die Kassen.
Neue Stellen seien inzwischen da, hat Spahn jüngst im Haus der Bundespressekonferenz erklärt. Der andere, „schwierige“ Teil der Geschichte sei, die Stellen mit Fachkräften zu besetzen. Dass das nicht über Nacht geschieht, sondern viel Zeit beansprucht, ist nicht Spahn anzulasten – die Ausbildung zur Intensivpflegekraft braucht fünf Jahre, um nur ein Beispiel zu nennen.
Neue Regierung wird einiges zu tun haben
Der nächsten Bundesregierung bleibt Pflege somit als Baustelle erhalten. Das gilt auch für die Langzeitpflege. Spahn wollte das Sozialgesetzbuch XI für die Herausforderungen der 20er-Jahre fit machen, eine große Reform auflegen. Am Ende wurde daraus der Wurmfortsatz eines anderen Gesetzes: des zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG). Teils war die Pandemie schuld daran, dass nicht mehr drin war, teils waren es Widerstände auch aus Spahns eigenen Reihen.
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Kleinreden sollte man die mit dem GVWG geschaffenen Änderungen in der Pflege aber nicht. Zwei Maßnahmen stechen heraus – auch wenn die eine mit einer Verfassungsbeschwerde und die andere mit einem eher kurzen Haltbarkeitsdatum belegt ist. So werden ab September 2022 nur noch jene Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen, die ihr Pflege- und Betreuungspersonal nach Tarif oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen bezahlen oder mindestens in Höhe eines Tarifvertrags oder kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen entlohnen.
Zuschuss nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Zum anderen wird in der stationären Pflege eine Zuschussregelung für die pflegebedingten Eigenanteile eingeführt. Die Zuzahlungen waren zuletzt steil durch die Decke gegangen. Ab 2022 gibt es nun – gestaffelt nach Pflegegraden – einen Zuschlag von der Pflegekasse: Im ersten Jahr trägt die Kasse fünf Prozent des pflegebedingten Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent. Vorhandene Versorgungszeiten werden rückwirkend angerechnet.
Kritiker wie etwa Diakonie Präsident Ulrich Lilie sprechen von einem Tropfen auf den heißen Stein. Heimplätze kosteten in einigen Einrichtungen inzwischen über 3500 Euro pro Monat. Würden davon im zweiten Jahr 25 Prozent erstattet, sei das keine wirklich Entlastung der Betroffenen. Lilie hat recht. Doch wenn es mehr Entlastung geben soll, wird man um höhere Beiträge und mehr private Vorsorge nicht umhinkommen. Die Debatte darüber hat Spahn angestoßen. Die Ampel-Partner müssen sie fortsetzen – und zu einem Ergebnis bringen.