Bericht aus Straßburg

Corona – Statt Beatmung Sterbebegleitung bei über 80-jährigen Patienten

Pro Stunde wird ein Beatmungspatient in das Uniklinikum Straßburg eingeliefert. Ein Bericht zeigt die schlimme Lage des französischen Klinikums eindrücklich auf.

Anke ThomasVon Anke Thomas Veröffentlicht:
Eine Patientin wird in ein Krankenhaus in Straßburg eingeliefert (Archivbild vom 20. März 2020).

Eine Patientin wird in ein Krankenhaus in Straßburg eingeliefert (Archivbild vom 20. März 2020).

© Elyxandro Cegarra / NurPhoto / picture alliance

Neu-Isenburg. Welch verheerende Zustände in Deutschland bevorstehen könnten, wenn die Ausbreitung des Coronavirus nicht eingedämmt wird, zeigt ein Bericht des Deutschen Instituts für Katastrophenmedizin (DIFKM) auf, der der „Ärzte Zeitung“ vorliegt. DIFKM-Mitarbeiter besuchten am 23. März das Uniklinikum in Straßburg und machten sich dort ein Bild von der Lage.

Das Team fordert als Fazit ihres Besuchs „weitere konsequente Maßnahmen der Landesregierungen, der Krankenhäuser und der Rettungsdienste in Deutschland“, die unabdingbar seien. Sollte sich die Situation in Deutschland genauso wie derzeit im Elsass entwickeln, „ist eine optimale Vorbereitung von allerhöchster Dringlichkeit“, mahnen die DIFKM-Mitarbeiter in ihrem Bericht.

Für Schulungen blieb keine Zeit

In Stichworten wird die Situation im Uniklinikum Straßburg so umrissen: Am 23. März erfolgte pro Stunde die Aufnahme eines beatmungspflichtigen Patienten. Mit Hochdruck arbeitet das Land daran, mehr Plätze für Beatmungspatienten zu schaffen. Die Zahl der Pflegekräfte wurde aufgestockt, damit diese die Zimmer nicht so oft verlassen müssen. Die Beatmung, Lagerung und spezielle Maßnahmen werden von der Fachpflege übernommen.

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Die „normalen Pflegemaßnahmen“ werden von den unterstützenden Pflegekräften geleistet. Zudem wurden Protokolle für das Beatmungsmanagement erstellt, um Pflegekräfte und Ärzte, die in diesem Bereich unerfahren sind, zu schulen. Die Mitarbeiter der Klinik des Nachbarlandes äußerten ihr Bedauern, dass vorab keine Zeit mehr blieb, die Schulungen und Unterweisungen vorzunehmen.

Viele mit Vorerkrankungen

Die Beatmung in der Bauchlage (16 Stunden) bringe entscheidende Vorteile, berichten die DIFKM-Mitarbeiter. Es kämen viele Infektionen vor – vor allem Pilze, aber auch bakterielle Superinfektionen. Die beatmungspflichtigen Patienten seien zwischen 19 und 80 Jahren alt, wobei drei von 90 Patienten unter 50 Jahren alt seien und keine Vorerkrankungen aufwiesen.

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Alle anderen Patienten hätten Vorerkrankungen unterschiedlicher Schweregrade. Schwere Verläufe fänden sich häufig bei alten Patienten mit Vorerkrankungen wie COPD, Asthma, Pneumonie, Diabetes, Adipositas und Bluthochdruck.

Sterbebegleitung bei über 80-Jährigen

Seit 21. März wird bei Patienten über 80 Jahren keine Beatmung mehr vorgenommen. Stattdessen werden diese Patienten mit Opiaten und Schlafmitteln beim Sterben begleitet. In Pflegeheimen gilt das Gleiche für beatmungspflichtige Patienten über 80 Jahren. Die Sterbebegleitung wird dort durch den Rettungsdienst übernommen.

Es sind entsprechende Vorgehensprotokolle erstellt worden. Das Vorgehen wird durch die Ethikkommission mit hoheitlichem Status verantwortet. Der Rettungsdienst, so heißt es im Bericht, hält Rücksprache in jedem Einzelfall und geht danach gemäß Vorgabe der Ethikkommission vor.

Die Beatmungsdauer im Krankenhaus betrage derzeit etwa 14 bis 21 Tage. Die Entwöhnung sei schwierig, bei kleinstem Hustenreiz nach Extubation sei sofortige Reintubation nötig.

Thorax-CT besser als Testung

Bei allen Verdachtspatienten werde im Krankenhaus sofort ein Thorax-CT gemacht, da dies deutlich sensitiver sei als die Covid-19-PCR. Selbst PCR-negative Patienten hätten häufig ein eindeutiges Thorax-CT und benötigten Behandlung. Patienten mit einer peripheren kapillaren Sauerstoffsättigung (Sp02) kleiner 92 Prozent und einem Sauerstofffluss unter 6l/min müssten zeitnah intubiert werden. Anfangs sei dies zögerlich umgesetzt worden und dadurch seien Todesfälle zu beklagen.

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Insgesamt kommen die Berichtsautoren zu dem Schluss: Neben der erforderlichen Planung für die Versorgung der Covid-19-Patienten müsse auch an andere Menschen mit Herzinfarkt oder Unfallopfer gedacht werden. Diese dürften nicht verloren werden, um dafür alle Corona-Patienten gerettet zu haben.

Im schlimmsten Fall werde es in Deutschland – ähnlich wie in Straßburg – Kliniken geben, die ausschließlich Covid-19-Patienten behandeln werden. Aber es müssten auch andere Kliniken vorgehalten werden, die die maximale Regelversorgung sonstiger Notfälle leisteten, mahnt die DIFKM in ihrem Bericht an. Die Autoren warnen: „Dies in der Fläche unseres Landes zu organisieren, wird sicherlich mehr als herausfordernd.“

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