Sterbehilfe: Rüffel für deutsche Richter

Muss Deutschland schwerkranken Menschen das Recht einräumen, freiwillig sterben zu dürfen? Mit dieser Frage zog ein Witwer zum Europäischen Menschenrechtsgerichthof. Der hat die deutschen Richter jetzt getadelt - und in der Sache gar nicht entschieden.

Veröffentlicht:
Zog wegen der Sterbehilfe-Regelung bis zum EGMR nach Straßburg: Ulrich Koch.

Zog wegen der Sterbehilfe-Regelung bis zum EGMR nach Straßburg: Ulrich Koch.

© Peter Steffen / dpa

STRAßBURG (mwo/HL). Deutsche Gerichte müssen sich intensiv mit dem Recht schwerkranker Menschen auf passive Sterbehilfe befassen.

Mit einem am Donnerstag verkündeten Urteil rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, dass die Gerichte die Klage des Ehemannes einer inzwischen toten Betroffenen nicht inhaltlich geprüft haben.

Mit dem Urteil kann der Ehemann eine Neuaufnahme des Verfahrens in Deutschland durchsetzen.

Seine Frau war seit einem Unfall 2002 querschnittsgelähmt, auf künstliche Beatmung und Pflege angewiesen. Daher wollte sie ihr Leben beenden.

Klage nicht ausreichend gewürdigt

2004 beantragten sie und ihr Mann beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Kauf einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital.

Das BfArM lehnte ab. 2005 nahm sich die Frau mit Hilfe von Dignitas in der Schweiz das Leben. Ohne Erfolg legte danach ihr Mann Klage gegen die BfArM-Entscheidung ein.

Auch das Bundesverfassungsgericht nahm seine Beschwerde nicht zur Entscheidung an: Er könne nicht die Menschenwürde für seine Frau einfordern.

Der EGMR stimmte dem zwar zu. Der Kläger habe aber glaubhaft dargelegt, dass er wegen der engen Bindung zu seiner Frau auch selbst stark von der BfArM-Entscheidung betroffen war.

Daher hätten die Gerichte seine Klage inhaltlich prüfen müssen. Der EGMR sprach ihm eine Entschädigung von 2500 Euro sowie weitere knapp 27.000 Euro für die Verfahrenskosten zu.

Die Bundesärztekammer begrüßte das Urteil. Es lasse die Regelungen der ärztlichen Berufsordnung in Deutschland unangetastet und weise explizit auf die Regelungen in anderen europäischen Ländern hin.

Nach einer rechtsvergleichenden Untersuchung des Gerichts sei es nur in vier der 42 untersuchten Länder erlaubt, Patienten ein tödliches Medikament zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben.

Die Rechtslage in Deutschland sei somit der in den allermeisten anderen europäischen Länder vergleichbar.

Az.: 497/09

Ihr Newsletter zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025