Beitragsparität

Symbolpolitik oder Frage der Gerechtigkeit? Die 3 wichtigsten Fragen

Der Gesundheitsausschuss hat am Mittwoch Sachverständige geladen, die das Für und Wider einer Rückkehr zur paritätischen GKV-Finanzierung beleuchten. Die "Ärzte Zeitung" hat die Argumente vorab gesichtet.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Zurück zur paritätischen Finanzierung der GKV: Diese Forderung der Grünen- und der Linken-Fraktion im Bundestag löst in der Anhörung des Gesundheitsausschusses ein erwartbar heterogenes Echo aus.

Am Mittwochnachmittag hört der Ausschuss Sachverständige zum Für und Wider dieser Forderung. Arbeitgeberverbände lehnen das Vorhaben strikt ab, Sozial- und Verbraucherverbände begrüßen es, Vertreter der Wissenschaft zeigen sich uneins.

Die "Ärzte Zeitung" hat die Stellungnahmen mit Blick auf zentrale Streitpunkte gesichtet:

Welche wirtschaftlichen Folgen hätte die Rückkehr zur Beitragsparität?

Ein Festhalten an der derzeitigen Regelung - der Arbeitgeberanteil ist eingefroren bei 7,3 Prozent - sei "unverzichtbar", meint der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH): "Dies ist notwendig, um Wachstum und Beschäftigung zu sichern." Für eine solche Behauptung gebe es "keine empirische Evidenz", entgegnet der Einzelsachverständige Hartmut Reiners.

Die paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrags würde Arbeitgeber -  bei angenommenen 0,9 Prozentpunkten - mit 0,45 Prozent der beitragspflichtigen Lohnsumme belasten. Das würde die Gesamtkosten einer Handwerkerstunde um 0,12 Prozent steigen lassen, ein, so Reiners, "für die Nachfrage unerheblicher Effekt".

Welche Effekte haben die Zusatzbeiträge bisher und was würde sich bei einer Beitragsparität ändern?

 Nach Ansicht des Deutschen Industrie- und Handelstags fördert Wettbewerb, dass sich "Krankenkassen um effiziente Verwaltungsstrukturen, ein gutes Versorgungsangebot und Kostenbegrenzung" bemühen. Geringerer Wettbewerbsdruck hätte in dieser mikroökonomischen Logik eine "geringere Effizienz der Mittelverwendung" zur Folge, so der DIHK.

Der Sachverständige Reiners entgegnet, die Gesundheitsweisen hätten schon in ihrem Gutachten 2012 festgehalten, dass es sich beim Kassenwettbewerb um "einen Beitragswettbewerb ohne nennenswerte Bezüge zur Versorgungsqualität" handelt. Der Gesundheitsökonom Professor Stefan Greß von der Hochschule Fulda verweist in diesem Zusammenhang auf die Absicht des Gesetzgebers mit der GKV-Finanzreform 2014, dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und Qualität in der GKV (FQWG).

 Ziel sei es ausdrücklich gewesen, "die Bedeutung des Wettbewerbsparameters Preis zu reduzieren und komplementär dem Wettbewerbsparameter Qualität eine höhere Bedeutung einzuräumen". Mit der Rückkehr zur Parität könne insofern dieses Ziel des FQWG umgesetzt werden, so Greß.

Bekommt die GKV hinsichtlich ihrer Entwicklung eine Schlagseite, wenn der Arbeitgeberbeitrag eingefroren ist?

 Die Ausgestaltung der GKV ist immer auch ein Aushandlungsprozess, erinnert die Verbraucherzentrale Bundesverband. Das Interesse an der Kostendämpfung habe den Arbeitgebern in diesem Prozess eine wichtige Stimme gegeben. "Durch die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge ist dieses Interesse eher erlahmt", so die Verbraucherzentrale.

Davon könne keine Rede sein, entgegnet der ZDH. Die Arbeitgeber finanzierten mit 51 Milliarden Euro im Jahr die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und trügen außerdem allein die GKV-Beiträge für Minijobber in Höhe von drei Milliarden Euro (2014).

Anders herum werde ein Schuh daraus, so der ZDH: Bei drei von sechs Ersatzkassen werde die Selbstverwaltung bisher nicht paritätisch von Versicherten und Arbeitgebern wahrgenommen. Darin sieht der Verband die Gefahr, dass "die Belange der Beschäftigten über die Interessen der Solidargemeinschaft gestellt werden".

Der GKV-Spitzenverband enthält sich in seiner Stellungnahme jeder politischen Bewertung. Ob eine paritätische Finanzierung geboten sei, könne der Spitzenverband "nicht gleichermaßen für die ihn tragenden Bände der Selbstverwaltung beantworten". Allerdings verweist der Kassenverband darauf, dass es "einen Arbeitgeberbetrag de facto nicht gibt". Auch dieser Anteil zum Krankenversicherungsbeitrag sei Bestandteil der Bruttolohnsumme - eben ein Einkommen des Produktionsfaktors Arbeit.

Aus Sicht des Bielefelder Gesundheitsökonomen Professor Wolfgang Greiner stellt insofern die "Erhöhung des Anteils der Arbeitgeber an den Krankenkassenbeiträgen vor allem eine Form der Symbolpolitik dar".

Der Koalition kommt diese Anhörung ungelegen, macht sie doch deutlich, wie weit Union und SPD in dieser Fragen auseinanderliegen.

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Kommentare
Dr. Wolfgang Bensch 25.02.201614:32 Uhr

Soziale Gerechtigkeit - aber bitte "paritätisch"?

Der Wahlkampf lässt grüssen, die Schlagworte machen sich breit.

Carsten Windt 25.02.201608:38 Uhr

Es ist an der Zeit KV-Beiträge vom Lohn zu entkoppeln

Eine Beitragsgerechtigkeit ist nicht zu erzielen. Da nützen auf die ganzen Maßnahmen nichts. Im Gegenteil das eigentliche Problem wird verschleiert. Der GKV-Beitragszahler soll Sozialhilfeaufgeben für den Bund Übernehmen, der diese Zahlungen aus dem Steueraufkommen tragen müsste.
Richtig wäre es die Einkünfte um den GKV Beitrag zu erhöhen, und zukünftig beitragsunabhängig für jeden Versicherten den gleichen Beitrag absolut zu erheben. Derjenige, der dieses aus eigenen Mittel nicht schafft erhält entsprechende Transferzahlungen (wie bisher auch).

Damit ist die unsägliche Verschleierung innerhalb des GKV-Beitrages Geschichte.

Dr. Karlheinz Bayer 24.02.201617:05 Uhr

Parität ist die entscheidende Preisbremse


Wenn die Arneitgeberseite, die ja jammert, wie schlecht ihre Gewinne nach oben schießen würden, wenn es eine Parität gäbe, wieder mit eingebunden wären in die Beitragsentwicklung, dann würde auch diese Seite mehr wert darauf legen, daß sich die Kosten in Grenzen halten.
Ganz abgesehen davon, daß sich die Preistreiber, seien es wir Ärzte oder die Krankenhausgesellschaften oder die Industrie, durchweg und ausnahmslos auf der Arbeitgeberseite finden, während die, die die Kosten zu schultern haben nahezu ausnahmslos Arbeitnehmer sind.
Was ja auch zu dem Klischee paßt, nachdem die CDU eine Volkspartei ist und die Linken und die Grünen das Kapital hintzer sich haben ... oder irre ich mich da?

Dr. Thomas Georg Schätzler 24.02.201612:23 Uhr

GKV--Parität und Beitragsbemessungsgrenze

Neben der f e h l e n d e n Beitragssatz-Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist noch erwähnenswert: Die GKV-Kassen sitzen zusätzlich auf Milliarden-schweren Reserven: Im März 2015 hatten die Kassen ein Finanzpolster von rund 15,5 Milliarden Euro. Zusätzliche Rücklagen des Gesundheitsfonds lagen Ende März 2015 noch bei 9,8 Milliarden Euro. Die Zusatzbeiträge der GKV-Kassen für 2016 bedeuten somit betriebs- und volkswirtschaftliche Volksverdummung.

Der Gesundheitsfonds musste im vergangenen Jahr für seine Milliarden-Guthaben sogar erstmals Strafzinsen an seine kontoführenden Banken zahlen. "Im Jahr 2015 erzielte der Gesundheitsfonds erstmalig ein negatives Zinsergebnis von rund 1,8 Millionen Euro", sagte der Sprecher des Bundesversicherungsamtes

Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble schielt schon seit Monaten auf diese gigantischen Finanzreserven, um seinen chronisch defizitären Bundeshaushalt mit den zusätzlichen Belastungen durch die "Flüchtlingskrise" wieder einmal auf Kosten der GKV-Versicherten sanieren zu können. Auch sein Bundeszuschuss an die GKV, der nicht annähernd die wahren Kosten deckt, wird wieder einmal gekürzt werden.

Die DAK selbst fordert z. B. die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung. Ihren Prognosen zufolge müssen die Versicherten im kommenden Jahr bereits 14,4 Milliarden Euro über Zusatzbeiträge allein tragen. Sie fordert deshalb, dass die Beiträge wieder je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden.

Wesentliches Merkmal unserer GKV-Systematik ist nun mal, ebenso wie für die Gesetzliche Rentenversicherung (DRV) eine lohn- und einkommens a b hängige solidarische Krankenversicherung zu schaffen, die für A l l e finanzierbar bleibt und existenzielle Gesundheits- und Krankheitsrisiken ökonomisch realisierbar abdeckt. Ein entscheidendes, strukturelles Defizit bei der GKV-Finanzierung ist und bleibt jedoch, dass die "Sonstigen Einkünfte" (Vermietung, Verpachtung, Kapital- und Risikobeteiligungen, Zinseinnahmen etc.) bei weiter sinkender "Lohnquote" u n b e r ü c k s i c h t i g t bleiben.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

PS.: Mindestens bis Ende 2017 unterstützt die AOK als Hauptsponsor den Deutschen Handballbund (DHB). Zu sehen ist das grüne Logo auf der Brust der Männer-Nationalmannschaft. Der Deal, der eine Option auf Verlängerung beinhaltet, soll dem DHB jährlich zwischen 700.000 und einer Million Euro einbringen und dieselbe Summe die AOK-Versicherten kosten - je nach sportlichem Erfolg der Handballer.
Quelle: http://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/nachricht-detail/gkv-ausgaben-die-werbedeals-der-krankenkassen/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=1
Dafür ist also genug Geld da!

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