US-Gesundheitsökonom

"Trump hat von der Materie nicht die geringste Ahnung"

Was weiß der künftige US-Präsident Donald Trump eigentlich von der Gesundheitspolitik, was ist in Zukunft zu erwarten? Ein Interview mit Professor Uwe Reinhardt von der Universität Princeton, einem der bedeutendsten Gesundheitsökonomen der USA.

Von Claudia Pieper Veröffentlicht:
Der künftige US-Präsident Donald Trump will in der Gesundheitspolitik neue Akzente setzen – nur welche?

Der künftige US-Präsident Donald Trump will in der Gesundheitspolitik neue Akzente setzen – nur welche?

© Richard Ellis/dpa

Ärzte Zeitung: Herr Professor Reinhardt, wie ist es aus Ihrer Sicht dazu gekommen, dass Trump aus der Wahl als Sieger hervorgegangen ist?

© Princeton University Professor Uwe E. Reinhardt, Gesundheitsökonom an der Princeton University in New Jersey 1937 in Niedersachsen geboren Scharfer Kritiker des US-Gesundheitssystems

Professor Dr. Uwe Reinhardt: Wir dürfen nicht vergessen, dass keiner der beiden Präsidentschaftskandidaten beliebt war. Hillary Clinton stand allerdings für die politische Elite, die Amerika lange Zeit mit ziemlicher Arroganz so regiert hat, wie sie es für richtig hielt. Sie repräsentierte für viele "Business as Usual", sprich "Es bleibt alles beim Alten". Das hatten die Leute einfach satt.

Donald Trump hat diese Frustration vor allem unter männlichen weißen Wählern mit begrenztem Bildungsstand erkannt und äußerst strategisch und gekonnt für sich genutzt.

Dennoch ist es wichtig festzuhalten, dass Trumps Sieg keineswegs überwältigend war und die Wahl genausogut auch anders hätte ausgehen können. Die Nation ist im Prinzip in der Mitte gespalten.

Was hat Trump Amerika gesundheitspolitisch anzubieten?

Reinhardt: Was die Gesundheitspolitik anbelangt, hat Trump meines Erachtens von der Materie nicht die geringste Ahnung. Er hat gesagt, dass er Obamacare abschaffen und "mit etwas Tollem" ersetzen will, hat aber, glaube ich, keinen blassen Schimmer, wovon er da spricht.

Das US-Gesundheitssystem ist mit Abstand das komplizierteste und hässlichste System auf diesem Planeten. Obamacare hat gar nicht versucht, das ganze System auf den Kopf zu stellen. Die Reform hat sich letztlich nur einen relativ kleinen Ausschnitt vorgenommen und versucht zu reparieren.

Da ist es wie mit einem kaputten alten Mantel: Wer es unternimmt, da einen Flicken draufzunähen, erhält unweigerlich einen hässlichen Flicken auf einem hässlichen Mantel. Obamacare war der hässliche Flicken auf einem hässlichen Gesundheitssystem.

Die Republikaner haben es sich einfach gemacht: Die gesamten letzten acht Jahre haben sie alles kritisiert, was Obama getan hat, haben aber selbst nichts Konkretes angeboten. Sie haben der politischen Gegenseite nur Prinzipien entgegengehalten, aber keine echten Lösungen.

Deshalb bin ich eigentlich mit dem Wahlergebnis sehr zufrieden. Es ist gut, dass die Republikaner diesmal nicht nur das Weiße Haus gewonnen haben, sondern auch erneut die Mehrheit im Parlament. Damit sind sie jetzt zum ersten Mal voll verantwortlich.

Was auch immer sie in den nächsten vier Jahren anstellen: Am Ende werden wir endlich einmal analysieren können, welche Auswirkungen ihre Gesundheitspolitik auf die Nation hat. Werden wir wieder 50 Millionen Nicht-Versicherte haben? Wird die Anzahl von Bankrotterklärungen wieder steigen, weil die Leute ihre Gesundheitsversorgung nicht bezahlen können?

Wie bewerten Sie die Haltung der Amerikaner zu Obamacare?

Reinhardt: Ich wünsche mir, dass die Republikaner unter Präsident Trump Obamacare aus den Angeln heben. Denn meines Erachtens verdienen die amerikanischen Landsleute eine saftige Ohrfeige. Sie haben nämlich die hart erfochtenen Errungenschaften der Reform ohne ein Dankeschön entgegengenommen und sich statt dessen über alles beklagt, was ihnen auch nur das geringste Opfer abverlangt hat.

Man darf nicht vergessen, dass vor Obamacare diejenigen, die gesund waren, relativ niedrige Beiträge genossen, aber Kranke entweder horrende Summen für ihre Versicherung zahlten oder gar abgelehnt wurden.

Dass sich das geändert hat, nehmen die Leute jetzt als selbstverständlich hin, wollen aber, wenn sie jung bzw. gesund sind, nicht mehr bezahlen, um die Versorgung für Ältere oder Kranke mitzutragen. Das ist in Deutschland ganz anders. Die Deutschen verstehen diesen Generationenvertrag.

Gestehen Sie zu, dass die Versicherungspreise unter Obama wirklich zu hoch gewesen sind?

Reinhardt: Zweifelsohne. Das Gesundheitssystem in Amerika ist das teuerste der Welt, doppelt so teuer wie in Deutschland. Da ist ein Solidaritätssystem finanziell viel schmerzhafter als anderswo.

Das liegt am System und war schon lange vor Obamacare ein Problem. Allerdings hat auch Obama gravierende Fehler gemacht. So hat er zum Beispiel die Kosten für die Reform unbedingt unter einem bestimmten Level halten wollen.

Um Policen auf dem neuen Versicherungsmarktplatz unter diesen Bedingungen erschwinglich zu machen, mussten die "Deductibles" (das, was der Versicherte jährlich aus eigener Tasche bezahlen muss, bevor die Krankenversicherung einspringt d. Red.) sehr hoch angesetzt werden. Das hat die Reform viel Zustimmung gekostet.

Für Leute, die kaum ihre Miete und ihr Benzin bezahlen können, ist es einfach nicht tragbar, jährlich mehrere Tausend Dollar selbst zu tragen, wenn sie krank werden. Da hat es Präsident Obama versäumt, sich mit den Realitäten des kleinen Mannes auseinanderzusetzen.

Werden Trump und die republikanische Kongressmehrheit Ihrer Meinung nach anstreben, die Reform komplett rückgängig zu machen?

Reinhardt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es wagen werden, all die positiven Errungenschaften von Obamacare zu eliminieren. Die Republikaner befinden sich jetzt in einer ganz neuen Situation. Vorher konnten sie im Kongress so oft die Abschaffung der Reform verlangen, wie sie wollten – sie wussten ja, dass ihre Vorstöße spätestens an Obamas Veto scheitern würden.

Von nun an fehlt die Vetodrohung. In Zukunft werden sich die Abgeordneten mit ihren Wählern auseinandersetzen müssen, wenn denen etwas verloren geht, was ihnen lieb war.

Wenn ich der Berater von Präsident Trump wäre, würde ich ihm den folgenden Tip geben: "Herr Trump, lassen Sie die Reform im Großen und Ganzen intakt, ändern Sie ein paar Dinge, die nicht funktioniert haben und verkaufen Sie dann das Ganze als Ihre eigene Kreation, am besten unter einem patriotischen neuen Namen. Wie wäre es mit ,AmeriCare‘? Sie können sicher sein, dass die Leute nicht merken werden, dass Sie ihnen gerade ,Obamacare‘ in einer neuen Verpackung untergejubelt haben."

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