Reform
Vertragsärzte spielen bei künftiger Notfallversorgung starke Rolle
Nach der Sommerpause steht die Reform der Notfallversorgung an. Ein erster Aufschlag aus dem Bundesgesundheitsministerium zeigt, wohin die Reise gehen wird.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Gesetzgebungsmaschinerie in der Berliner Friedrichstraße läuft weiter. Am Donnerstag wurde ein erster, noch nicht mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abgestimmter „Diskussionsentwurf“ für ein Gesetz zur Reform der Notfallversorgung bekannt.
Der Minister setzt damit ein mit der SPD im Koalitionsvertrag vereinbartes Vorhaben in die Tat um: Ärztlicher Bereitschaftsdienst und die Notfallambulanzen der Krankenhäuser sollen verschmelzen, der Rettungsdienst ein eigener Leistungsbereich werden.
Der Entwurf orientiert sich damit am Gutachten „Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung“ des Sachverständigenrats Gesundheit aus dem Jahr 2018. Auch die Vorstellungen von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Marburger Bund finden sich zum Teil in dem Papier wieder. Am 14. August soll der Entwurf mit Ländervertretern im Bundesgesundheitsministerium diskutiert werden.
Der Gesetzentwurf führt vier Kernpunkte auf:
- Zentrale Lotsenfunktion: Die Länder und die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen Gemeinsame Notfall-Leitstellen (GNL) schaffen. In den GNL sollen die Rettungsleitstellen und die Terminservicestellen der KVen aufgehen. Wie die KBV bereits mehrfach berichtet hat, werden Anrufer bei der 116.117 ebenso wie die bei der 112 in den GNL angenommen und dann in die notwendige Versorgungsebene gesteuert.
- Qualifizierte Ersteinschätzung: An prominenter Stelle in Krankenhäusern, für Patienten nach dem Betreten sofort sichtbar, sollen Integrierte Notfallzentren (INZ) eingerichtet werden. Das können neu zu schaffende Einheiten sein oder bereits vorhandene Portalpraxen, die zu INZ weiterentwickelt werden. Sie sollen „räumlich und wirtschaftlich abgegrenzte Einrichtungen mit eigenständiger, fachlich unabhängiger Leitung“ sein. Am gemeinsamen Tresen von KV und Krankenhäusern können Patienten eingeschätzt und dann entweder ambulant behandelt oder stationär aufgenommen werden. Der Gesetzentwurf betont ausdrücklich, dass die Länder bei der Planung und Gestaltung der INZ die Strukturen des vertragsärztlichen Notdienstes berücksichtigen sollen. Krankenhäuser mit INZ müssen die vom GBA im April 2018 aufgesetzten Kriterien für die Teilnahme an der Notfallversorgung erfüllen.
- Effektive Notfallversorgung: Der Rettungsdienst soll zusätzlich zur ambulanten und der stationären Versorgung zu einem eigenen Leistungsbereich im SGB V aufgewertet werden. Versicherte sollen einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Notfallrettung erhalten.
- Mehr Einfluss des Bundes: Die Notfallversorgung soll bundesweit geltenden Rahmenbedingungen unterworfen werden. Dazu soll die Finanzierung zwischen Bund und Ländern neu geregelt werden.
Wie die Leistungen in den Integrierten Notfallzentren vergütet werden sollen, treibt die Vertragsärzte um. Der vorliegende Entwurf werde geprüft, hieß es dazu am Donnerstag in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. „Ein eigener Topf wäre ein Fortschritt, mit dem ich gut leben könnte“, sagte der Vorstandsvorsitzende der KV Bayerns Dr. Wolfgang Krombholz am Donnerstag der „Ärzte Zeitung“ am Rande des Barmer-Forums in Deggendorf.
Notfall-Zahlen
- 9,0 Millionen Notfälle wurden 2015 im vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten versorgt.
- 10,0 Millionen Notfälle wurden im gleichen Jahr in den Notfallambulanzen der Kliniken behandelt.
- 13,4 Millionen Transportleistungen des Rettungsdienstes rechneten die Krankenkassen 2016 ab. Weitere 38 Millionen Fahrten erfolgten per Taxi oder Mietwagen.
Quelle: SVR-Gutachten 2018
Der eigene Topf müsse aber extrabudgetär aufgefüllt werden. Der Mechanismus einer permanenten Bereinigung wäre sehr gefährlich, so Krombholz.
Tatsächlich sieht der Reformentwurf ausdrücklich eine extrabudgetäre Vergütung der Leistungen der Integrierten Notfallzentren vor, die allerdings nach vom Bewertungsausschuss vorzugebenden Bedingungen bereinigt werden sollen.
Grundsätzlich sollen aber alle Leistungen der INZ unmittelbar von den Kassen nach EBM vergütet werden. Eine Grundpauschale, die unabhängig von der Zahl der Patienten bezahlt werden soll, soll die Vorhaltekosten für das INZ abbilden. Dazu sollen nach Schweregrad differenzierte Pauschalen für jede Inanspruchnahme einer INZ in den Bewertungsmaßstab aufgenommen werden. (Mitarbeit: vdb)
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