Generalistische Pflegeausbildung
Viel Misstrauen noch auf den letzten Metern
Der Schlussspurt zu einer generalistischen Pflegeausbildung bleibt steinig: Grünen-Politikerin Elisabeth Scharfenberg drängt in einem Schreiben an die großen Wohlfahrtsverbände erneut auf eine Anhörung.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Reform der Pflegeberufe sorgt weiter für Wirbel. Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen, hat sich am Montag in einem Rundschreiben an die großen Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften gewandt. Darin drängt sie darauf, eine weitere Anhörung noch vor der Abstimmung im Bundestag anzusetzen.
Mit dem Gesetz, das vor der Sommerpause verabschiedet werden soll, werden die bisherigen Ausbildungen in der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege in einer Ausbildung zusammengeführt. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte jüngst eine Formulierungshilfe für die Änderungsanträge vorgelegt. Eine erneute Anhörung erfolgt jedoch nur, wenn sich die Vorschläge "substantiell vom Gesetzentwurf" unterscheiden.
Immer noch viele Fragen
Scharfenberg hingegen hält eine erneute Anhörung "für dringend geboten" - trotz des straffen parlamentarischen Zeitplans: "Die bisher bekannt gewordenen Vorschläge werfen viele Fragen auf", heißt es in ihrem Brief an unterschiedliche Pflege- und Sozialverbände. Und weiter: "Ganz gleich wie man zur Pflegeberufereform steht, eine öffentliche Anhörung zur Klärung der offenen Fragen sollte im Interesse aller sein".
Wie sich auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" herausstellt, geht es Scharfenberg weniger um einzelne, konkrete Änderungsvorschläge, sondern um einen "transparenten Diskussionsprozess". Sie kritisiert: "Wir haben bereits vor über zwei Wochen die rechtzeitige Vorlage der Änderungsanträge gefordert, damit ausreichend Zeit für die fachliche Beratung und Erörterung der Änderungsanträge bleibt." Dies sei bislang allerdings nicht geschehen.
Das Vorgehen der grünen Abgeordneten stößt bei den Befürworter der Generalistik auf Unverständnis und Verwunderung. "Das ist reine Taktik, denn inhaltlich ist bereits alles gesagt", kommentiert es beispielsweise .Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR). "Bündnis 90/ Die Grünen wollen das Gesetz über Frau Scharfenberg blockieren", mutmaßt er. Immer neue Äußerungen würden letztlich nur dazu führen, dass Pflegeschüler und Lehrkräfte verunsichert werden. Westerfellhaus fordert, am "bisherigen Fahrplan" festzuhalten und 2019 mit der Umsetzung zu starten.
Auch Bettina Müller, Bundestagsabgeordnete der SPD, stuft eine erneute Anhörung als "nicht notwendig" ein, denn die Änderungen seien nicht so gravierend. Nach wie vor werde die Generalistik, so wie es im ursprünglichen Entwurf vorgesehen war, zur Regelausbildung. Lediglich in der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege kann im dritten Ausbildungsjahr, abweichend von der Regel, während einer sechsjährigen Übergangszeit für eine Spezialisierung und einen separaten Abschluss optiert werden. In der Krankenpflege bleibe auch das dritte Jahr für alle generalistisch. "Diese temporäre Ausnahme von der Regel in nur zwei Teilbereichen und nur im dritten Jahr rechtfertigt keine neue Anhörung, zumal Grüne und Linke dieses ,2+1 Modell‘ in ihren eigenen Anträgen gefordert hatten", erklärt Müller. Zudem seien diese Anträge auch in der Anhörung im Mai 2016 bearbeitet und diskutiert worden.
Ärger um Formulierungshilfe
Für Aufregung unter den Pflegverbänden hatte auch die Nachricht gesorgt, dass in der BMG-Formulierungshilfe nicht mehr von einem automatischen Übergang in die generalistische Pflegeausbildung die Rede war. Torsten Rantsch, Vorstand des Verbandes der Pflegedirektoren an Unikliniken (VPU), sah darin einen Beleg, dass "die große Koalition offenbar nicht in der Lage ist, die überfällige Reform auch umzusetzen".
SPD-Pflegeexpertin Bettina Müller sieht auch dies gelassen. Schließlich müsse der Bundestag ohnehin nach der vorgesehenen Evaluation erneut über die weitere Umsetzung des Vorhabens entscheiden und dies im Kontext anpassen. Dazu brauche es ohnehin ein Änderungsgesetz zum Pflegeberufegesetz, das die 2026 oder 2027 amtierende Bundesregierung einzubringen hat.