Volldigitalisierte Praxis

3-D-Druck ersetzt Gips-Zahnabdrücke

Die 3-D-Technologie hat längst Einzug in die Medizin gehalten. In München gibt es eine volldigitale Kieferorthopädie-Praxis. Vom Scan bis zum 3-D-Druck des Zahnmodells läuft alles digital.

Von Barbara Schneider Veröffentlicht:
3-D-Drucker: völlig neue Optionen bei der Implantatplanung.

3-D-Drucker: völlig neue Optionen bei der Implantatplanung.

© ra Schneider

Die Zeiten, in denen Franca Stockebrand noch mit Abformlöffel, Abformmaterial und Gipsmodellen gearbeitet hat, sind vorbei. In ihrem Behandlungszimmer schaltet die Kieferorthopädin einen Monitor an.

Sie nimmt den Infrarotscanner in die Hand und scannt langsam Zahn für Zahn. "Wir machen eine virtuelle Abformung der Zähne im Mund", erklärt sie. Innerhalb weniger Sekunden baut sich auf dem Bildschirm eine dreidimensionale Abbildung des Gebisses auf.

Vor einem Jahr hat Franca Stockebrand ihre Kieferorthopädie-Praxis im Zentrum von München eröffnet. Das Besondere: Alle Arbeitsabläufe sind in der Praxis voll digitalisiert.

Das fängt bei der Verwaltung an: Die Patientenakten sind digital, mit Ausnahme der Dokumente, bei denen der Gesetzgeber eine Aufbewahrungsfrist in Papierform vorsieht. Aber auch im medizinischen Bereich setzt Stockebrand auf die Digitalisierung. Sie arbeitet mit der 3-D-Technologie, die ihr einen vollständig digitalen Arbeitsablauf ermöglicht.

Das fängt bei der Diagnostik an und geht bis hin zum 3-D-gedruckten Zahnmodell. Ganz egal, ob es nun um eine Zahnspange für ein Kind oder einen Jugendlichen geht oder eine kieferorthopädische Zahnkorrektur bei Erwachsenen. Damit ist sie eine Vorreiterin in Deutschland.

Eine Patientin ist Annette Hebner. Die 64-Jährige hat gerade das Behandlungszimmer verlassen. Sie war zur Kontrolle hier. Seit vier Monaten trägt sie eine Zahnspange, die ihre altersbedingte Fehlstellung der Zähne korrigieren soll. "Die Behandlung hat optische und funktionelle Gründe", sagt Hebner. "Die Zähne drehten sich, und es wurde immer schlimmer."

Deshalb kam sie in die kieferorthopädische Praxis: Hier hat Stockebrand das Gebiss gescannt. Der Scan ging schließlich direkt an das externe Labor, das dann individuelle Brackets, bestimmt für die Innenseite der Zähne und von außen unsichtbar, hergestellt hat.

"Komplett staubfrei"

Zu Franca Stockebrands Praxis gehört aber nicht nur das volldigitalisierte Behandlungszimmer. Schräg gegenüber liegt ihr Labor. Auch hier hat die moderne Technik Einzug erhalten. Auf der Arbeitsplatte steht ein kastenförmiger 3-D-Drucker, sonst nichts.

"Das hat nichts mehr mit einem konventionellen Zahnlabor zu tun, das ist komplett staubfrei", sagt Stockebrand. Vom Computer im Behandlungszimmer aus kann sie die Daten des Scans direkt an den 3-D-Drucker schicken. Der druckt dann das Gebiss-Modell im Stereolithographie-Verfahren aus.

Das heißt: Ein Laser härtet den flüssigen Kunststoff Schicht für Schicht aus, so entsteht das Modell. Abfall entsteht dabei so gut wie keiner. Der flüssige Kunststoff, der übrig bleibt, kann weiterverwendet werden.

Abformlöffel adé

Im Arbeiten in der digitalen Praxis sieht Stockebrand vor allem Vorteile: Abformlöffel, mit denen in anderen Praxen die Gebissabdrücke gemacht werden, müssten nicht mehr gereinigt werden.

Sie brauche keine Hilfe mehr beim Abdrücke-Nehmen, sagt sie. "Das Arbeiten mit Scan und 3-D-Druck ist eine absolute Zeitersparnis." Das fange bei der Anfangsdiagnostik an. "Da brauche ich heute 15 bis 20 Minuten, früher waren das 30 bis 45 Minuten".

Aber auch der Scan des Gebisses gehe um ein vielfaches schneller als der konventionelle Gipsabdruck mit dem Abdrucklöffel. "Das schaffe ich jetzt in einem Achtel der Zeit", sagt sie und fügt hinzu: Die Diagnostik mit dem Intraoral-Scanner wird in Bayern von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Im Labor zieht Stockebrand einer Kiste aus dem Regal. Darin hat sie einige 3-D-gedruckte Modelle eingelagert. Sie nimmt ein Modell heraus. "Das ist ein Op-Fall", erklärt Stockebrand.

Ein Mund-Kiefer-Gesichtschirurg wird bei diesem Patienten eine operative Verlagerung der Kieferbasen vornehmen. Bevor das passieren kann, müssen die Zähne mit einer festen Zahnspange kieferorthopädisch behandelt und auf den Eingriff vorbereitet werden. Stockebrand bewahrt längst nicht alle Modelle auf.

"Wir heben nur das auf, was wir im Moment brauchen," sagt sie. Sprich: Die Arbeits- und Dokumentationsmodelle, die sie gerade benötigt. Denn der digitale Datensatz liegt ja auf dem Server, kann jederzeit wieder abgerufen werden. Große Lagerflächen entfallen dadurch. "Der Scan wird digital gespeichert, das ist eine große Platzersparnis", sagt sie.

Scan fürs externe Labor

Nicht immer braucht es freilich überhaupt einen Ausdruck des Gebisses in der Praxis: Im Fall von Annette Hebner ging der Scan direkt an das externe Labor. Dort haben die Zahn-Techniker die Brackets hergestellt.

An die Zahnspange, sagt Hebner, habe sie sich erst zwei Wochen gewöhnen müssen. Von der Behandlungsmethode ist sie aber begeistert. Sie rechnet damit, dass die Behandlung im nächsten Jahr abgeschlossen ist.

Lesen Sie dazu auch das Interview: 3-D-Technologie: "Neue Technologien sind kein Allheilmittel"

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