„Sechsstelliger Schaden“
AOK Nordost meldet „Welle“ gefälschter Rezepte
Eigentlich sollte die Verordnung längst digitalisiert sein. Offenbar kursieren jedoch noch immer genügend Verschreibungen auf Muster 16, dass Rezeptfälschungen nicht sofort auffallen.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Potsdam. Die AOK Nordost warnt vor einer Häufung gefälschter Papierrezepte. In einer Mitteilung am Dienstag spricht die Kasse von einer „Betrugswelle“. Das betreffe insbesondere die Produkte Ozempic® (Semaglutid von Novo Nordisk), Trulicity® (Dulaglutid von Eli Lilly), Mounjaro® (Tirzepatid, von Eli Lilly) sowie Pegasys® (PegInterferon alfa-2a von Roche).
Mindestens jedes zehnte Rezept, das im 1. Quartal 2024 für eines dieser Produkte in Apotheken vorgelegt wurde, sei gefälscht gewesen. Die Apotheken seien aufgefordert, „entsprechende Verordnungen besonders sorgfältig zu prüfen“. Sollten sie „fahrlässig offensichtlich gefälschte Rezepte abrechnen“, so die AOK weiter, behalte man sich vor, „diese Rezepte zu retaxieren“.
„Direkt die Polizei informieren“
Hinsichtlich der genannten Produkte hätten die Betrügereien mittlerweile bei der AOK Nordost „zu einem sechsstelligen finanziellen Schaden geführt“, heißt es. Auf das Jahr hochgerechnet könnte allein diese eine Ortskrankenkasse um einen Millionenbetrag geprellt werden.
Rezeptfälschungen, so der Hinweis an die Apotheken, ließen sich häufig daran erkennen, dass eine Diagnose auf dem Formular genannt wird, obwohl das bei Arzneimittelverordnungen nicht vorgesehen sei. „Außerdem wird entweder eine falsche oder gar keine Dosierung angegeben“.
In vielen Fällen lägen zudem Wohnort des Versicherten und Standort der verordnenden Arztpraxen „sehr weit von den einlösenden Apotheken entfernt“. Sei eine Fälschung zu vermuten, sollten Apotheken „direkt die Polizei informieren und sich auf jeden Fall mit der zuständigen Krankenkasse in Verbindung setzen“.
Noch nie so viele Fälschungen in so kurzer Zeit
Nach Angaben des Fehlverhaltensbeauftragten der AOK Nordost, Ralf Selle, ist das derzeit zu beobachtende Aufkommen gefälschter Rezepte sowohl nach Menge als auch finanziellem Schaden „außergewöhnlich“. Gefakte Verordnungen habe es immer mal gegeben, etwa um an Anabolika oder Tilidin ranzukommen. Doch so viele falsche Rezepte über hochpreisige Produkte habe man in so kurzer Zeit noch nie gesehen.
Dabei müsse auch von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden, so Selle weiter. „Die gut gemachten Rezeptfälschungen erkennt man oft gar nicht“. Selle führt den Boom einerseits auf die exorbitante Nachfrage nach Inkretinmimetika zur Gewichtsabnahme zurück, andererseits auf das absehbare Ende der analogen Medikamentenverschreibung. (cw)