Hintergrund
Abheben ohne Kassenzusage: Streit um neuen Rettungshubschrauber
Ein Rettungsdienstleister sorgt in Schleswig-Holstein für Wirbel. Ohne eine Zusage der Krankenkassen, die Kosten zu übernehmen, soll ein spezieller Hubschrauber Ärzte schnell zu ihrem Einsatzort bringen. Patienten hingegen kann er nicht transportieren.
Veröffentlicht:Notärzte schweben künftig per Helikopter ein, um Kranke und Verletzte vor Ort noch schneller versorgen zu können. Anschließend werden die Patienten per Rettungswagen in die Klinik gebracht. Diese Idee sorgt derzeit in Schleswig-Holstein für Zündstoff. Befürworter verweisen auf die schnelle Hilfe, Kritiker auf die Kosten.
Wer die Kassen in Schleswig-Holstein nach der Notwendigkeit eines reinen Notarzthubschraubers fragt, stößt auf Ablehnung. "Kein Bedarf, wir sind gut ausgestattet", heißt es etwa von der AOK oder den Ersatzkassen.
Schließlich gibt es Notarztwagen im ganzen Land, die gesetzlich vorgeschriebene Rettungsfrist wird zwischen Nord- und Ostsee eingehalten.
Vollmer hofft darauf, dass der Widerstand der Kassen bröckelt
"Reflexartig" nennt Michael Vollmer, der Geschäftsführer der K.B.A., diese Reaktionen, die er aus Jahrzehnte langer Erfahrung im Rettungswesen kennt. "Alles andere hätte mich überrascht."
Der gemeinnützige Dienstleister ist im Norden im Rettungsdienst aktiv und will künftig Not- und Fachärzte per Helikopter dorthin bringen, wo sie akut benötigt werden. Vollmer setzt darauf, dass der Widerstand der Kassen bröckelt und diese zahlen werden.
Am Wochenende startete die K.B.A. ihr Pilotprojekt, mit dem es nach Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern den bundesweit zweiten reinen Notarzthubschrauber etablieren will.
Der leuchtend gelbe KUNO-SH 01 startet vom kleinen Flugplatz Hartenholm bei Bad Segeberg, von dem aus der Notarzt innerhalb von fünf Minuten den gesamten Kreis und innerhalb von 20 Minuten einen großen Teil des Landes sowie Hamburg, Nord-Niedersachsen und westliche Ausläufer Mecklenburg-Vorpommerns erreichen könnte.
Notarzt könnte schneller am Einsatzort sein
Besetzt wird der Hubschrauber aus dem Notarztpool der K.B.A., die einen Arzt sowie Rettungsassistenten in Hartenholm vorhält. Mit bis zu 270 Kilometer pro Stunde und ohne Staugefahr wäre der Notarzt schneller am Einsatzort, als wenn er auf bodengebundene Fortbewegung angewiesen ist.
Die Kassen halten dagegen und verweisen auf die drei bestehenden Hubschrauber-Standorte im Land, die bei Bedarf Kranke und Verletzte in die Krankenhäuser fliegen - was KUNO-SH 01 nicht kann. Jens Kuschel von der AOK Nordwest sieht einen Hubschrauber ohnehin nicht als das Nonplusultra im Rettungswesen an.
"Ein Hubschrauber kann nicht überall landen. An vielen Einsatzorten ist der Notarzt im PKW schneller am Ziel", gibt Kuschel zu bedenken. Die Kassen kennen Vollmers Pläne seit langem und befürchten, dass mit KUNO-SH 01 Fakten geschaffen werden sollen, auf deren Kosten sie am Ende sitzen bleiben.
Künftig wird sich die Frage nach der Verfügbarkeit von Notärzten stellen
Vollmer dagegen hält die Ressourcen an Notärzten für so knapp, dass diese so effektiv wie möglich zu den Einsatzorten gebracht werden müssen. "In Zukunft wird es keine Frage des Geldes sein, ob alle erforderlichen Notarztstandorte auf Dauer noch besetzt werden können, sondern allein eine Frage der Verfügbarkeit von Notärzten.
Gerade die Flächenstaaten werden von dieser Entwicklung betroffen sein", sagt Vollmer. Er bezifferte die Kosten für jeden Einsatz des Hubschraubers je nach Entfernung auf 600 bis 1000 Euro. Im Gegenzug könne die therapiefreie Zeit der Patienten verkürzt werden.
Um den Hubschrauber trotz Widerstands der Kassen einsetzen zu können, finanziert die K.B.A. ihn zunächst über Fördermitglieder und Sponsoren. "Grundsätzlich sind die Kosten eines Notarzteinsatzes aber durch die zuständige Kasse zu tragen", stellt Vollmer seine Zielrichtung klar.
Auch Transporte von Blut, Organen und Arzneien vorstellbar
Er erwartet nach Gesprächen mit Kreisverwaltungen, dass sein Hubschrauber über die Leitstellen auch angefordert wird und rechnet zunächst mit zwei bis vier Einsätzen pro Tag.
Er sieht aber auch weitere Optionen. Ärztliche Spezialisten, die in Zentren angestellt sind, könnten per Helikopter in die Peripherie zu den Patienten gebracht werden. Gespräche dazu hat die K.B.A. bereits geführt und ist in Kliniken auf Interesse gestoßen.
So könnten sich medizinische Einrichtungen die seltenen Spezialisten teilen, schlägt Vollmer vor. Um die Auslastung zu optimieren, kann er sich als Einsatz-Alternativen auch Transporte von Blut, Organen und Arzneien vorstellen.
Das klingt nach einer wirtschaftlichen Herangehensweise, die aber die Krankenkassen trotzdem zusätzliches Geld kostet. Denn wegen KUNO-SH 01 kann in Schleswig-Holstein auf kein Notarztfahrzeug verzichtet werden.
Die Kreise als Träger des Rettungsdienstes präsentieren den Kassen weiterhin die Rechnung für die beträchtlichen Vorhaltekosten. Von den Rettungsleitstellen hängt nun ab, ob sich der Notarzthubschrauber durchsetzen wird.
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