Wartesemester
Abkürzungen gibt es nicht – Zeit besser nutzen
Einige private Anbieter locken Studierende in spe mit sogenannten "Vorsemestern Medizin". Mit den oft hochpreisigen Angeboten soll die Wartezeit bis Studienantritt verkürzt werden können.
Veröffentlicht:BERLIN. 15 Semester oder siebeneinhalb Jahre beträgt die Wartezeit für das Medizinstudium in diesem Sommersemester. Um an der langen Wartezeit nicht zu verzweifeln, entscheiden sich manche Studierende für eine Berufsausbildung im Gesundheitssektor, die von einigen Universitäten bei der Platzvergabe im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) berücksichtigt wird.
Das und der Test für Medizinische Studiengänge (TMS) sind Möglichkeiten seine Chancen zu verbessern. Private Anbieter haben außerdem sogenannte Vorsemester Medizin im Repertoire und werben damit, dass die Teilnahme an den vorbereitenden Seminaren die Wartezeit verkürzen und Grundlagen fürs Medizinstudium schaffen würde. Die Seminare sind auf mehrere Monate ausgelegt und kosten oft einen vierstelligen Betrag.
Doch sind sie sinnvoll oder notwendig? "Zumindest nicht für Studierende, die an unserer Fakultät anfangen zu studieren", sagt der Studiendekan der Medizinischen Fakultät an der WWU Münster, Dr. Bernhard Marschall. "Aufgrund der Inhomogenität der schulischen Vorerfahrungen, aber auch aufgrund der gänzlich unterschiedlichen Zugangswege zum Studium der Medizin, wie zum Beispiel über die Wartezeitquote, das Zweitstudium, das Auswahlverfahren der Hochschulen, oder aber die Härtefall- oder Ausländerquoten, haben wir immer mit sehr, sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen zu rechnen. Daher beginnen wir, wie vermutlich die meisten Universitäten, in allen Disziplinen quasi wieder bei Null."
Lehren ohne Forschungshintergrund
Auch für die Kandidaten, die aufgrund der langen Wartezeit mehr als sieben Jahre aus dem Schulalltag entwöhnt sind, sieht Marschall keine Vorteile durch ein mehrmonatiges Vorstudium. Selbst in den naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern wie Chemie, Physik oder Biologie lohne sich eine solche Investition nicht. In den seltenen Fällen, wo es für einzelne Studierenden schon einmal unverschuldet kritisch werden könne, haben die Hochschulen zumeist spezielle Tutoriate und andere kostenlose Unterstützungsangebote eingerichtet. Die im Vergleich zu anderen Studiengängen extrem geringe Abbrecherquote von weniger als zehn Prozent im Studiengang der Medizin scheint ihm Recht zu geben.
Kritisch sieht der Studiendekan Angebote in medizinischen Disziplinen wie Anatomie, physiologische Chemie und Physiologie von Anbietern, die selbst keinen Forschungshintergrund haben. "Es ist ja gerade die unmittelbare Integration aktueller Forschungsergebnisse in den Lehrstoff, die einen universitären Lehrbetrieb kennzeichnet", gibt er zu bedenken.
Ob der Besuch eines kommerziellen Angebotes in der Beurteilung durch die Juroren beispielsweise im Münsteraner Studierfähigkeitstest tatsächlich als einen Vorteil für den Bewerber ausgelegt werden würde, vermag Marschall nicht zu sagen. "Vermutlich eher nicht, da die meisten Bewerber an unserem Standort bei der Verfügbarkeit von so viel Zeit und Geld dieses eher in ein soziales Engagement im In- und Ausland investieren. Das wird auf jeden Fall honoriert." Auch die Verkürzung der Wartezeit ist in Deutschland nicht möglich.
Aktuell werden 20 Prozent der Studienplätze nach der Abiturbestenquote vergeben. Bis auf einige Ausnahmeuniversitäten schließt das alle Abiturienten mit einem Schnitt schlechter als 1,0 aus. 60 Prozent werden im AdH vergeben, durch Tests und Auswahlgespräche. Für Kandidaten der Wartelisten sind 20 Prozent reserviert. Und hier lassen sich die Wartezeiten nicht verkürzen, auch nicht durch Vorsemester. Der Masterplan Medizinstudium 2020 sieht immerhin vor, soziale und kommunikative Fähigkeiten stärker in den Blick zu nehmen.
Vorbereiten? Völlig kostenlos!
Dass private Anbieter mit Wartezeitverkürzung und besseren Chancen auf einen Studienplatz werben, weckt gefährliche Erwartungen. Die beworbenen bis zu 75 Prozent der Teilnehmer, die innerhalb eines Jahres einen Platz bekämen, werden vor allem "durch bezahlte deutsche und ausländische Studiengänge" erreicht, die teilweise die Noten aus den Vorsemestern anrechnen würden, etwa in Polen. Für die staatlichen deutschen Fakultäten hat das Vorsemester allein keine Bedeutung. Um einen Einblick ins Studium zu erhalten, kann es helfen, sich in die öffentlichen Vorlesungen der ersten Semester zu setzen – und zwar völlig kostenlos.