Abgeltungssteuer
Abschaffung gefährdet private Altersvorsorge
Unter dem Banner der Steuergerechtigkeit will die SPD die pauschale Abgeltungssteuer von 25 Prozent abschaffen. Stattdessen will sie Kapitalerträge wieder mit dem persönlichen Steuersatz versteuern. Viele sehen dadurch die private Altersvorsorge gefährdet.
Veröffentlicht:In ihrem Programm für die Bundestagswahl 2013 haben sich die Sozialdemokraten für eine Erhöhung der pauschalen Abgeltungssteuer von 25 auf 32 Prozent starkgemacht.
Inzwischen hat der kleine Partner in der Koalition ein paar Prozente draufgelegt: Jetzt fordert die SPD über ihre Länderfinanzminister, die Pauschalsteuer zu streichen und Kapitalerträge wie früher mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu besteuern. Für zu versteuernde Einkommen über 52.000 Euro pro Person liegt dieser Satz bei 42 Prozent - inklusive Solidarzuschlag sind es 44,3 Prozent.
Ist da eine Gerechtigkeitslücke? Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid begründet die Offensive seiner Partei mit einer angeblichen Gerechtigkeitslücke.
Seiner Auffassung nach privilegiert die Abgeltungssteuer Kapitaleinkünfte gegenüber Arbeitseinkommen, weil sie diese Erträge niedriger besteuere als Arbeitseinkommen: "Wer ein großes Vermögen besitzt, hat durch die Abgeltungssteuer eine geringere Steuerlast als die hart arbeitende Mittelschicht", klagte er dem "Spiegel".
Und sein Ministerkollege Norbert Walter-Borjans aus Düsseldorf findet die Abgeltungssteuer aus diesem Grund "hochgradig ungerecht" und will sie ebenfalls kippen.
Zahlen Aktionäre weniger als die Mittelschicht?
Doch stimmt es, dass Aktionäre weit weniger Steuern zahlen als die Mittelschicht, die von jedem verdienten Euro bis zu 44,3 Prozent ans Finanzamt abführen muss?
Michael Reuss vom unabhängigen Vermögensverwaltung Huber, Reuss & Kollegen in München widerspricht: "Bevor ein Aktionär den ersten Euro an Dividenden erhält und versteuert, zahlt das Unternehmen, dessen Miteigentümer er ist, rund 30 Prozent an Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer", so der Vermögensverwalter.
Das bedeutet: Von jedem Euro Gewinn, der ausgeschüttet wird, sieht der Eigentümer nur 70 Cent, die er sodann mit einem pauschalen Satz von 26,38 Prozent (zuzüglich eventueller Kirchensteuer) versteuert. "Damit bleiben dem Aktionär pro Euro im Schnitt knapp 0,52 Euro - die gesamte Steuerlast beträgt also schon jetzt 48 Prozent und ist damit höher als die Einkommensteuer", erklärt der Münchner Finanzprofi. Ähnlich verhalte es sich mit Kursgewinnen, die als abdiskontierte Dividendenzahlung betrachtet werden können.
Würde nun die Dividende mit dem Steuersatz für Gutverdiener besteuert, verschlechterte sich die Situation für viele Aktionäre deutlich, wie Dr. Andreas Schyra von der Private Vermögensverwaltung AG in Essen vorrechnet.
Der Grund: Von den 70 Cent pro Euro, die nach den Steuerzahlungen des Unternehmens übrig bleiben, müssten sie aufgrund ihres Einkommens 44,3 Prozent ans Finanzamt überweisen. "Damit blieben pro verdientem Euro gerade einmal 39 Cent in der Tasche des Eigentümers - die Steuerquote läge bei sagenhaften 61 Prozent", so Schyra. Nicht nur dem Vermögensverwalter dürfte es schwerfallen zu verstehen, wie man einen solchen Zustand als Steuergerechtigkeit bezeichnen kann.
Den Essener Finanzexperten ärgert eines besonders: "Die Politik predigt regelmäßig, dass Privatpersonen einen Großteil ihrer künftigen Rente über individuelle Sparleistungen während der Berufstätigkeit erbringen sollen. Eine höhere Besteuerung von Kapitalerträgen erschwert diese Aufgabe beträchtlich", so Schyra.
Profitieren nur Finanzindustrie und Steuerberater?
Auch Reuss sieht angesichts der Pläne der Sozialdemokraten die zarte Pflanze der Aktienkultur in Deutschland bedroht. Der Münchner Vermögensverwalter rechnet damit, dass das Interesse an der privaten Altersvorsorge weiter nachlässt, wenn in einer Epoche der politisch manipulierten Märkte und Niedrigzinsen auch noch die Steuerbelastung massiv steigt.
Seine Meinung: "Wegen solcher Debatten verzichten viele Bundesbürger auf die private Altersvorsorge. Wenn ein Teil dieser Menschen im Alter auf den Staat angewiesen ist, steht fest, auf wessen Konto das geht."
Von einer solchen Rückkehr zur alten Regelung profitieren nach Ansicht beider Experten nur zwei Branchen - die Finanzindustrie und die Steuerberatung. "Bei den meisten Anlegern kommt kein Argument so gut an wie die Steuerersparnis", weiß Schyra aus Erfahrung.
In der Folge sei erneut mit einer Vielzahl von steuergetriebenen Anlagemodellen zu rechnen, was - ähnlich wie bei Containerschiffen - früher oder später zum Ausfall unrentabler Projekte führen wird. Am Ende seien viele Anleger ärmer als ohne den Steuerspar-Anreiz.