MB-Umfrage in Dr. Horst Schmidt Kliniken

Ärzte seit Privatisierung überlastet

Laut einer Umfrage des Marburger Bundes empfinden viele Ärzte an den Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden die Arbeitsverdichtung als so extrem, dass sie sogar körperlich davon beeinträchtigt werden. Die Klinikleitung sieht das anders.

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WIESBADEN. Die Arbeitsbelastung der Ärzte an den Wiesbadener Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) ist nach subjektivem Empfinden deutlich gestiegen, seit der Rhön-Klinikum-Konzern 2014 seine Anteile von 49,9 Prozent an den privaten Klinikbetreiber Helios (Fresenius) verkauft hat.

Das hat eine Umfrage des Marburger Bundes (MB) Hessen unter den an den HSK angestellten Mitgliedern ergeben.

Seit der Veräußerung wird über die Arbeitsbedingungen an den HSK immer wieder diskutiert, insbesondere seit Stellen gestrichen wurden. In einer Online-Erhebung befragte der MB 112 Ärztinnen und Ärzte, davon 46 Assistenzärzte, 33 Fachärzte, 17 Oberärzte, fünf stellvertretende Chefärzte, einen Medizincontroller, einen leitenden Arzt und neun Teilnehmer, die keine Angaben zu ihrer Position machten.

Bei der Umfrage zeigte sich, dass nach Einschätzung der Befragten seit der ersten Anteilsübernahme durch private Klinikbetreiber 2012 eine Arbeitsverdichtung spürbar ist.

94 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass die Arbeitsverdichtung zugenommen habe, seit Helios knapp die Hälfte der Anteile hält. Zwei Drittel der Befragten berichteten außerdem, dass sich die Anzahl der zu versorgenden Patienten erhöht habe.

Diese Veränderung spüren viele Ärzte eigenen Angaben zufolge auch am eigenen Leib. Als die HSK noch zu 100 Prozent in der Hand der Stadt Wiesbaden war, hatten 32 Prozent der Ärzte das Gefühl, dass ihre Gesundheit durch die Arbeit beeinträchtigt wird, zum Beispiel durch Schlafstörungen.

Seit Helios das Ruder übernommen hat, ist diese Zahl auf 75 Prozent angestiegen. Laut Umfrageergebnis wird an vielen Stellen mehr gearbeitet, als es in den Büchern verzeichnet ist: 19 Prozent gaben an, sie fühlten sich unter Druck gesetzt, auszustechen, um dann weiter zu arbeiten.

"Die Verantwortlichen der HSK sind aufgefordert, die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten so zu gestalten, dass eine gute Patientenversorgung sichergestellt werden kann, ohne dass die Arbeit die Ärztinnen und Ärzte selbst krank werden lässt", sagt Dr. Susanne Johna, Landesverbandsvorsitzende des Marburger Bundes Hessen.

Zweifel an Repräsentativität

Honorata Doba, Regionalleiterin Unternehmenskommunikation und Marketing der HSK, sagt auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung", sie frage sich, welches Ziel der Marburger Bund mit der Umfrage verfolge.

"Wir zweifeln an der Repräsentativität, denn wir haben an den HSK 453 Mitarbeiter im ärztlichen Dienst, befragt wurden allerdings nur die Mitglieder des Marburger Bundes, teilgenommen haben 112. Da kann man auf keinen Fall von einem Stimmungsbild sprechen."

Abgesehen davon lägen Zahlen vor, die den Vorwurf der Arbeitsverdichtung entkräften könnten. "Dass es mehr Patienten gegeben habe, stimmt nicht, das ist eine rein subjektive Einschätzung", sagt Doba. "Unsere Patientenzahlen sind von Januar bis Ende Juni genauso geblieben wie im Jahr zuvor."

Im Oktober 2014 hatten die HSK mitgeteilt, dass sie 391 Stellen abbauen wollten, im ärztlichen Dienst sind seitdem 15 Stellen gestrichen worden. "3,75 Prozent Stellenabbau sind marginal", so Honorata Doba.

Stellung nimmt sie auch dazu, dass 19 Prozent der Befragten angaben, sie fühlten sich gelegentlich unter Druck gesetzt, auszustechen und danach weiter zu arbeiten. "Es gibt keine solche Vorgabe und keinen einzigen Hinweis aus der Belegschaft darauf, dass das so praktiziert würde", sagt die HSK-Sprecherin.

"Wenn wir das mitbekämen, würden wir dagegen vorgehen, denn ein solches Verhalten wird weder gewünscht noch geduldet."

Die Überstunden lägen auf dem gleichen Niveau wie zu Zeiten, als die Kliniken noch zu 100 Prozent in kommunaler Hand gewesen seien. Die Geschäftsleitung habe Maßnahmen ergriffen, um Überstunden zu reduzieren, indem Abläufe in der Klinik effizienter gestaltet würden.

Wenn Mitarbeiter Hinweise oder Feedback gäben, nehme man das in den HSK immer ernst, betont Honorata Doba.

Klinikkonferenzen und Betriebsversammlungen

Eine eigene repräsentative Befragung soll dennoch nicht durchgeführt werden, denn generell hätten die Mitarbeiter zahlreiche Gelegenheiten, direkt mit der Geschäftsleitung zu sprechen - zum Beispiel bei großen Klinikkonferenzen viermal im Jahr und bei regelmäßigen Betriebsversammlungen.

Zum weiteren Umgang mit den Ergebnissen der Befragung sagt Susanne Johna vom Marburger Bund: "Wir wollen, dass sich für die Ärztinnen und Ärzte an der HSK die Arbeitsbedingungen verbessern.

Deshalb planen wir noch in diesem Jahr eine Ärzteversammlung, auf der die Geschäftsführung eingeladen ist ihre Lösungsvorschläge den Ärzten zu präsentieren." (aze)

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