Erweiterter Bewertungsausschuss
Ärztliches Honorar: Orientierungswert steigt um zwei Prozent
Der Orientierungswert für Leistungen von Vertragsärztinnen und Vertragsärzte soll 2023 um rund zwei Prozent steigen. Die Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses fiel gegen die Stimmen der Ärzteschaft.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat am Mittwoch entschieden, dass der Orientierungswert, der für Leistungen von Vertragsärzten gezahlt wird, um genau zwei Prozent steigen soll. Das hat die Ärzte Zeitung auf Anfrage zuerst beim Spitzenverband der Krankenkassen erfahren. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sah sich trotz mehrfacher Nachfrage zunächst nicht in der Lage, das Ergebnis zu kommentieren.
Äußerst kritisch äußerte sich der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa): „Das bekannt gewordene Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht der Versorgerpraxen. Themen wie die aktuelle Entwicklung von Inflation, Preissteigerungen bei Energie und Personal werden so nicht adäquat abgebildet. So zieht man den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sinnbildlich den Stecker für die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland“, sagte SpiFa-Hauptgeschäftsführer Robert Schneider auf Anfrage.
Die Erhöhung entspreche einem zusätzlichen Honorar von ca. 780 Millionen Euro, so die Berechnungen des Spitzenverbands der Krankenkassen. „Weitere Vergütungselemente, wie zum Beispiel die Morbiditätsveränderung der Versicherten, neue Leistungen und der Mengenanstieg im Bereich der extrabudgetären Leistungen, führen insgesamt zu einer Erhöhung der vertragsärztlichen Vergütung im nächsten Jahr von voraussichtlich über 1,4 Milliarden Euro“, heißt es weiter. Damit erhalte rechnerisch jeder niedergelassene Arzt und jede niedergelassene Ärztin im kommenden Jahr 11.000 Euro zusätzlich an Honorar.
Hofmeister: „Bittere Enttäuschung“
Die Ärztevertreter im Erweiterten Bewertungsausschuss seien überstimmt worden, hieß es dann am späten Nachmittag seitens der KBV. „Ein Plus von zwei Prozent beim Orientierungswert ist viel zu wenig und deckt nichts an Kosten adäquat ab“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender. „Es geht um den Erhalt der Struktur der ambulanten Versorgung und um die Finanzierung von Leistungen für die Gemeinschaft der über 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten. Vor diesem Hintergrund war das heute eine bittere Enttäuschung“, erklärte Hofmeister.
„Kein wirkliches Interesse am Erhalt der ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Strukturen“ attestierte auch KBV-Chef Dr. Andreas Gassen dem Schiedsspruch des Ausschusses. Vor allem für die energieintensiven Fachgruppen müsse unbedingt noch in diesem Jahr ein Ausgleich erfolgen, forderten die KBV-Vorstände. „Hierüber werden wir mit den Krankenkassen gesondert noch sprechen müssen.“
„Wir haben deutlich auf die aktuelle finanzielle Situation der Praxen hingewiesen, die insbesondere unter dem diesjährigen hohen Inflationsdruck leiden“, betonte Gassen. Doch der Erweiterte Bewertungsausschuss sei nicht von der Systematik, dass jeweils die Kostenentwicklung des Vorjahres betrachtet werde, abgewichen. Dadurch könnten die aktuellen Preissteigerungen erst bei den Verhandlungen im kommenden Jahr für den Orientierungswert 2024 berücksichtigt werden, so Gassen in einer später veröffentlichten Mitteilung.
„17.200 Euro zusätzlicher Überschuss durchs Impfen“
Die Krankenkassen hatten dagegen in den Tagen vor der entscheidenden Sitzung argumentiert, dass die wirtschaftliche Situation niedergelassener Ärztinnen und Ärzte besser denn je sei. So seien deren Einnahmen durch die Zahlungen der gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2020 um 2,1 Milliarden Euro auf 42,9 Milliarden Euro gestiegen.
Durch Impfungen seien je Praxisinhaber im Jahr 2021 durchschnittlich ein zusätzlicher Überschuss von ca. 17.200 Euro erwirtschaftet worden. Ärzteverbände hatten diese Argumentation allerdings scharf zurückgewiesen.
Im Erweiterten Bewertungsausschuss sitzen jeweils drei Vertreterinnen und Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des GKV-Spitzenverbandes sowie drei unparteiische Mitglieder. Der Orientierungswert, auch Punktwert genannt, steht aktuell bei 11,2662 Cent. Bei einer Steigerung um zwei Prozent läge der Orientierungswert damit im kommenden Jahr bei knapp 11,5 Cent. (ger)