Steigende Kosten

Ampel einigt sich auf 65 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket

Energiepauschale für Studierende, Unterstützung für höhere Gehaltszahlungen, teilweise Strompreisdeckelung: die Ampel-Koalition stellt ihr drittes Unterstützungspaket vor.

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Nach 18-stündiger Verhandlung stellten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.), Omid Nouripour (l), Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, Saskia Esken (r), Bundesvorsitzende der SPD, sowie Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Bundesminister der Finanzen, am Sonntag in einer Pressekonferenz ihr neues Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger vor.

Nach 18-stündiger Verhandlung stellten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.), Omid Nouripour (l), Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, Saskia Esken (r), Bundesvorsitzende der SPD, sowie Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Bundesminister der Finanzen, am Sonntag in einer Pressekonferenz ihr neues Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger vor.

© Michael Kappeler / dpa

Berlin. Die Ampel-Koalition von Kanzler Olaf Scholz (SPD) will Bürgerinnen und Bürger angesichts steigender Preise mit einem dritten Unterstützungspaket in Höhe von mehr als 65 Milliarden Euro entlasten. „Deutschland steht zusammen in einer schwierigen Zeit. Wir werden als Land durch diese schwierige Zeit kommen“, sagte Scholz am Sonntag in Berlin bei der Vorstellung der Ergebnisse der Beratungen des Koalitionsausschusses. Die ersten beiden Entlastungspakete hatten zusammen einen Umfang von 30 Milliarden Euro.

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten etwa 18 Stunden lang bis zum Sonntagmorgen über Details verhandelt. Neben Scholz nahmen unter anderem Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) an den Beratungen teil. Auch weitere Minister sowie die Spitzen der drei Bundestagsfraktionen und Parteien waren im Kanzleramt versammelt.

Scholz: „Wir werden niemanden alleine lassen“

Scholz betonte, mit den ersten beiden früher im Jahr beschlossenen Paketen komme man nun auf insgesamt 95 Milliarden Euro. Es gehe um sehr viel Geld, aber die Ausgaben seien notwendig. Zum Ziel der Entlastungen sagte er: „Es geht darum, unser Land sicher durch diese Krise zu führen.“ Viele Menschen machten sich derzeit Sorgen. „Wir nehmen alle diese Sorgen sehr, sehr ernst.“ Erneut betonte Scholz: „You’ll never walk alone, wir werden niemanden alleine lassen.“

Der Kanzler kündigte an, dass übermäßige Gewinne am Strommarkt abgeschöpft werden sollen. Er sprach von einer „großen und dramatischen Entlastung“ auf dem Strommarkt. „Die erste Aufgabe ist also, solche Zufallsgewinne zu nutzen zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger.“

Übermäßige Gewinne sollen abgeschöpft werden

Im Beschlusspapier steht dazu: „Zudem werden auf europäischer Ebene Möglichkeiten der Abschöpfung von Zufallsgewinnen von Energieunternehmen diskutiert, die in der aktuellen Marktlage aufgrund des europäischen Strommarktdesigns deutlich über die üblichen Renditen hinausgehen. Dazu gehören insbesondere Erlös- bzw. Preisobergrenzen für besonders profitable Stromerzeuger.“

Scholz machte den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen dessen Angriffskriegs auf die Ukraine für die schwierige Lage auch in Deutschland verantwortlich. Der Krieg habe Folgen auch für Engpässe bei der Energieversorgung: „Putins Russland ist vertragsbrüchig geworden“, es erfülle seine Lieferverträge schon lange nicht mehr. Scholz ergänzte: „Russland ist kein zuverlässiger Energielieferant mehr.“ Der Kanzler äußerte sich zugleich zuversichtlich, dass man die schwierige Zeit überstehen werde: „Wir werden durch diesen Winter kommen“, sagte er.

Die wichtigsten Entscheidungen:

  • Energiepauschale für Rentner und Studierende: Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Studierende und Auszubildende sollen einmalig 200 Euro erhalten. Für Berufstätige war bereits eine Energiepreispauschale von 300 Euro auf den Weg gebracht worden.
  • Ampel-Koalition will Strompreis für Basisverbrauch vergünstigen: Für einen gewissen Basisverbrauch an Strom soll nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch darüber hinaus wäre der Preis nicht begrenzt.
  • Neues bundesweites Nahverkehrsticket soll kommen: Die Ampel-Koalition will ein neues bundesweit gültiges Nahverkehrsticket schaffen. Ziel sei eine Preisspanne zwischen 49 und 69 Euro im Monat. Die Länder müssen der Finanzierung noch zustimmen.
  • Koalition will Regelsätze für Bedürftige erhöhen: Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang kommenden Jahres wollen SPD, Grüne und FDP die Regelsätze für Bedürftige auf rund 500 Euro erhöhen. Heute erhalten Alleinstehende in der Grundsicherung 449 Euro pro Monat.
  • Koalition will Kindergeld um 18 Euro erhöhen: Die Ampelkoalition will Familien spürbar entlasten. So soll das Kindergeld deutlich steigen. Es soll zum Jahresbeginn um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen.
  • Entlastung von Midi-Jobbern bei Sozialbeiträgen: Die Höchstgrenze für die Beiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) bei geringen Einkommen soll nochmals angehoben werden. Laut dem Ampel-Papier war bereits gesetzlich geregelt, dass zum 1. Oktober 2022 die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (Midi-Job) von 1300 Euro auf 1600 Euro angehoben wird. Diese Höchstgrenze soll nun ab dem 1. Januar 2023 auf monatlich 2.000 Euro steigen. Das entlaste die betroffenen Arbeitnehmerinnen und -nehmer um rund 1,3 Milliarden Euro jährlich.
  • Pläne zum Abbau der kalten Progression: Um eine Steuererhöhung aufgrund der Inflation zu verhindern („kalte Progression“), werden die Tarifeckwerte im Einkommenssteuertarif angepasst. Davon sollen laut Ampel ab dem 1. Januar 2023 rund 48 Millionen steuerpflichtige Bürgerinnen und Bürger profitieren. Wenn im Herbst Progressionsbericht und Existenzminimumbericht vorliegen, sollen die Werte angepasst werden.
  • Unterstützung für höhere Gehaltszahlungen: Die steigenden Preise werden auch Thema bei Tarifverhandlungen sein. Der Bund ist nach Angaben der Ampel bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen/Betriebe an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien.
  • Verlängerung des Kurzarbeitergeldes: Die Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld werden über den 30. September 2022 hinaus verlängert.
  • Abschaffung der Doppelbesteuerung der Renten: Steuerzahlerinnen und -zahler sollen bereits ab dem 1. Januar 2023 ihre Rentenbeiträge voll absetzen können. Dies geschieht damit zwei Jahre früher als ursprünglich geplant.

Was bisher zur Entlastung beschlossen wurde

Bisher wurde bereits der Strompreiszuschlag zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) abgeschafft, es gibt eine Energiepauschale von 300 Euro für alle Beschäftigten und eine Einmalzahlung von 100 bis 200 Euro für alle Arbeitslosen, das Kindergeld wurde einmalig um 100 Euro pro Kind aufgestockt, drei Monate lang bis August wurde der Spritpreis gestützt, und es gab für die Monate Juni, Juli und August das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr.

Das vereinbarte dritte Entlastungspaket ist nach Angaben von Finanzminister Christian Lindner ohne eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse finanzierbar. „Diese Maßnahmen finden statt innerhalb der bisherigen Haushaltsplanungen der Bundesregierung“, sagte der FDP-Chef am Sonntag in Berlin. Die Schuldenbremse setzt der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen.

Möglich sei dies unter anderem durch Vorsorge, die schon im Haushalt getroffen worden sei, sagte Lindner. Auch kämen an anderer Stelle Einnahmen hinzu. Die 65 Milliarden Euro vom Bund für das dritte Entlastungspaket stellten eine konservative Schätzung dar. Es handle sich um ein Paket, das Solidarität mit Leistungsgerechtigkeit und Solidität verbinde. (dpa/reh)

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