Oberstaatsanwalt
Antikorruptionsgesetz bringt Ärzte in Gefahr
Das Antikorruptionsgesetz ist nicht harmlos. Juristen rechnen mit dramatischen Änderungen für Ärzte und Unternehmen. Grund: Der Gesetzgeber lässt Vieles im Unklaren.
Veröffentlicht:BERLIN. Die vom geplanten Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen ausgehenden Gefahren für Ärzte und ärztliche Kooperationen sind manifest.
Wenn ein Staatsanwalt einen Anfangsverdacht hege, könne es zu Praxisdurchsuchungen, Untersuchungshaft und damit verbundenen Rufschäden kommen, warnte der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander Badle vor Risiken, die entstehen könnten, auch ohne dass es zu einer Verurteilung komme.
Das Anschwärzen von Mitbewerbern auf dem 280 Milliarden Euro schweren Gesundheitsmarkt könne deshalb zu einem effektiven Marketinginstrument werden, warnte Badle beim Berliner Medizinrechtssymposium am Freitag in Berlin.
Badle weiß, wovon er spricht. Er ist Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen.
Angesichts unklarer Rechtsbegriffe und der oft mangelnden Expertise im Gesundheitswesen vieler seiner Kollegen sieht der Jurist dem Inkrafttreten des Gesetzes mit einem "unguten Bauchgefühl", ja sogar mit ein "bisschen Angst" entgegen.
Die Korruptionsdelikte des Strafgesetzbuches sind auf niedergelassene Ärzte bislang nicht anwendbar. Das soll sich ändern. Der Gesetzgeber hat in seinen Gesetzentwurf alle Angehörige verkammerter Heilberufe einbezogen.
Für Ärzte missliche Situation
Die ultima ratio des Strafrechts greife nur dann, wenn es eine klare Grenze gebe zwischen dem, was strafbar sei und dem was straflos bleiben solle. "Das sehe ich bei der Formulierung dieser Vorschrift nicht", sagte Badle.
Grundsätzlich könne sie jede Kooperation und Leistungsbeziehung im Gesundheitswesen erfassen. Die Abgrenzung zwischen einer zulässigen wirtschaftlichen Betätigung und einer strafbaren Unrechtsvereinbarung auf dem Gesundheitsmarkt könne sich in der Praxis der Strafverfolgung als schwierig erweisen.
"Der Gesetzgeber hat sich die Konkretisierungsarbeit erspart", stellte dazu auch Rechtsanwalt Dr. Maximilian Warntjen von der Berliner Kanzlei Dierks & Bohle fest. Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger kritisierte, dass der Gesetzgeber sich nicht entschieden habe, was genau er mit dem Straftatbestand schützen wolle.
Für manche Ärzte und Unternehmen kann dies bedeuten, dass sie durch die Mühlen der Justiz müssen, damit sich aus einer bestimmten Zahl von Urteilen ein Richterrecht herausbilden kann.
Die Fachleute rechnen nicht damit, dass der Gesetzgeber noch einmal tätig wird, um diese für Ärzte missliche Situation noch zu ändern.
Das Gesetz werde die Kassenärztlichen Bundesvereinigung und die Krankenkassen immer wieder vor die Frage stellen, ob sie bei einem Verdacht Anzeige erstatten, oder nicht, sagte Dr. Stephan Meseke, Leiter der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen beim GKV-Spitzenverband. Die Institutionen müssten vermeiden, sich dem Verdacht der Strafvereitelung auszusetzen.
Wissenschaftler beziffern den Schaden, der durch Korruption im Gesundheitswesen entsteht, auf zwischen neun und 14 Milliarden Euro im Jahr.