Psyche im Blick

App lässt Flüchtlinge in die Seele schauen

Eine App klärt traumatisierte Flüchtlinge zur psychischen Gesundheit auf. Das Zentrum Überleben in Berlin hat sie entwickelt.

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BERLIN. Schlafstörungen, Aggressionen, Schuldgefühle, Angstzustände, traumatische Erinnerungen – viele Flüchtlinge leiden darunter. Die traumatischen Erlebnisse vor und während der Flucht nach Europa haben ihre Gefühls- und Gedankenwelt durcheinandergebracht. Wie sehr das die betroffenen Menschen belastet, merkten die Mitarbeiter im Zentrum Überleben, das Opfern von Folter und Kriegsgewalt unter anderem medizinische und psychotherapeutische Hilfe anbietet, schnell.

„Das Wissen über die Psyche ist allgemein nicht sehr verbreitet. Viele denken, dass sie krank sind“, sagt Maria Böttche, die zusammen mit ihrer Kollegin Nadine Stammel Leiterin der Zentrum-Forschungsabteilung ist. Der Bedarf an Hilfe jenseits der klassischen Therapie wuchs im Zuge des Flüchtlingszustroms rasant.

In nur einem Jahr entwickelte die Forschungsabteilung zusammen mit IT-Experten, Grafikern und Übersetzern deshalb die App „Almahr“ (Application for Mental Health Aid for Refugees), finanziert vom Auswärtigen Amt, der Hamburger Stiftung zur Förderung der Wissenschaft und durch Spendengelder. Almahr erklärt auf Arabisch, Farsi und Englisch psychische Symptome, die auf ein Stresserleben vor, während und nach der Flucht zurückzuführen sind. So lernen die Nutzer, dass ihr Zustand „eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis ist“, so Böttche.

Darüber hinaus gibt die App Tipps, wie mit den Symptomen umgegangen werden kann und „was man tun kann, damit es besser wird“. In depressiven Phasen versucht die App beispielsweise zu helfen, die Aktivitäten zu steigern. Der Ratschlag: Tue das, was früher viel Spaß gemacht hat.

Zwölf Module umfasst die App, die Nutzer können sich aussuchen, welche Übungen sie selbstständig machen wollen. Almahr ist so konzipiert, dass das psychoedukative Angebot auch von Therapeuten in die laufende therapeutische Arbeit mit integriert werden kann. Zwar bietet die App Hilfe zur Selbsthilfe an, sie weist aber auch darauf hin, dass weitere Hilfe in Anspruch genommen werden sollte, wenn die Symptome sich verschlechtern.

„Die App wird gerade viel in Deutschland genutzt“, sagt Böttche, vor allem von Syrern und Afghanen. Über eine Partner-Organisation in Ägypten wird Almahr aber auch von dort aus unter Flüchtlingen bekannt gemacht.

Zeitgleich mit Almahr hat das Zentrum Überleben eine zweite Selbsthilfe-App gestartet: Sie heißt „Smilers“ (Smartphone Mediated Intervention for Learning Emotional Regulation of Sadness), ist nur auf Arabisch erhältlich und richtet sich an Menschen mit Fluchterlebnissen und depressiver Symptomatik, die noch in ihren Heimatländern oder beispielsweise in Flüchtlingslagern im Nahen Osten leben.

„Schwere Depressionen lassen sich mit Smilers natürlich nicht behandeln“, so Böttche. Aber auch diese App soll den Betroffenen helfen, die Symptomatik besser zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Sieben Module enthalten dazu Informationen.

„Kognitive Verhaltenstherapie ist der Hintergrund der App“, erklärt Böttche. Über drei Jahre hat das Zentrum Überleben an Smilers gearbeitet. Die App basiert auf einer australischen Anwendung, die für den arabischsprachigen Raum übersetzt und überarbeitet wurde. Dabei konnte die Forschungsabteilung auf die jahrelangen Erfahrungen mit dem arabischsprachigen Online-Therapie-Projekt Ilajnafsy zurückgreifen. Ob die Anwendung tatsächlich wirkt, wird von der Forschungsabteilung evaluiert. Gefördert wurde die Entwicklung von Smilers durch Misereor.

Smilers ist derzeit nur in Apples App-Store, Almahr nur bei Google Play erhältlich. (juk)

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