Diagnosefehler
Arzt haftet nicht immer
Diagnoseirrtümer, die auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen sind, sind laut einem Oberlandesgericht nicht in jedem Fall dem behandelnden Arzt anzulasten.
Veröffentlicht:KOBLENZ. Diagnoseirrtümer kann ein Arzt trotz aller Sorgfalt nicht immer vermeiden. Diagnostiziert ein Arzt zum Beispiel das Naheliegende, obwohl das Fernliegende korrekt gewesen wäre, wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit Blick auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz hinweist (Az.: 5 U 222/14).
Im konkreten Fall erhielt die Patientin laut DAV aufgrund einer Neuralgie das Medikament Carbamazepin. Nach rund drei Wochen habe sie ab dem 19. Oktober 2010 außerdem das Antibiotikum Amoxicillin einnehmen müssen.
Wegen einer heftigen Hautreaktion am gesamten Körper habe die Frau am darauf folgenden Tag die Notfallambulanz eines Krankenhauses aufgesucht.
Die behandelnde Ärztin habe eine allergische Reaktion auf das Antibiotikum vermutet und die Patientin unter anderem mit der Empfehlung nach Hause geschickt, ein Antihistaminikum zu nehmen.
Dramatischer Krankheitsverlauf
Der weitere Krankheitsverlauf war nach Angaben des DAV derart dramatisch, dass sich die Frau ab dem 29. Oktober in einer anderen Klinik stationär behandeln lassen musste.
Nachdem die Ärzte dort Carbamazepin abgesetzt hatten, hätten sich die dermatologischen Beschwerden deutlich gebessert.
Die Frau habe das Krankenhaus auf Schadenersatz verklagt, in dem sie zunächst die Notfallambulanz aufgesucht hatte.
Sie sei der Meinung gewesen, die Ärzte hätten die Symptome für eine Unverträglichkeitsreaktion auf das Medikament Carbamazepin nicht erkannt.
Das OLG winkte jedoch ab. Es handele sich nicht um einen vorwerfbaren Diagnosefehler, entschieden die Richter, so der DAV.
Für einen Diagnosefehler hafte ein Arzt nur unter bestimmten Voraussetzungen. Grundsätzlich sei es zwar als Behandlungsfehler zu werten, wenn ein Arzt eine feststellbare Erkrankung und deren Symptome nicht erkenne.
Erkrankungen nicht immer eindeutig
Irrtümer bei der Diagnose seien dem Arzt jedoch oft gar nicht vorzuwerfen. So seien nämlich die Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig, sondern könnten auf die verschiedensten Ursachen hinweisen.
Das gelte auch, wenn man die vielen technischen Hilfsmittel berücksichtige, die zur Gewinnung von zutreffenden Untersuchungsergebnissen einzusetzen seien.
Diagnoseirrtümer, die auf eine Fehlinterpretation der Befunde zurückzuführen seien, könne man deshalb nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler werten.
Die angenommene allergische Reaktion auf das tags zuvor erstmals eingenommene Antibiotikum habe viel näher gelegen als eine Unverträglichkeit des schon länger eingesetzten Carbamazepin.
Entscheidend sei daher, dass die Ärztin nicht damit habe rechnen müssen, dass das scheinbar Naheliegende wohl nicht zutreffe. Hier treffe sie keine Schuld.