Bundesverwaltungsgericht
Auch keine Kuschelsocken zum Rezept in der Apotheke
Immer wieder scheitern Apotheker mit dem Versuch, Rezept-Kunden mit Zugaben zu locken. Einmal mehr jetzt auch vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Veröffentlicht:Leipzig. Die Anzahl der Urteile, die Apotheken untersagen, im Rezeptgeschäft Boni oder sonstige Zugaben zu gewähren, ist mittlerweile Legion. Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht hat dem nun ein weiteres hinzugefügt und damit einen Schlussstrich unter den schon Jahre andauerenden „Kuschelsocken-Streit“ gezogen.
Die unterlegene Apothekerin aus dem Kreis Coesfeld hatte ihren Kunden „bei Abgabe eines Rezepts“ ein Paar Kuschelsocken beziehungsweise eine Rolle Geschenkpapier versprochen. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe sah darin einen Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und untersagte dies 2014. Dagegen klagte die Apothekerin mit der Begründung, der Bundesgerichtshof habe „geringwertige Geschenke“ mit einem Wert bis zu einem Euro erlaubt.
Allerdings hatte der BGH in dem Urteil, auf das sich die Apothekerin berief, nach Heilmittelwerberecht entschieden, das in einer früheren Version noch geringwertige Zugaben zu einem Euro erlaubte; inzwischen ist auch das nicht mehr der Fall. Im Streit um die Socken-Zugabe berief sich das Oberverwaltungsgericht NRW jedoch auf das Arzneimittelgesetz, das ohnehin „keine Bagatellgrenze für zulässige Abweichungen“ kenne. Was die Leipziger Richter nun ebenfalls bestätigten. Auch eine „Sachzuwendung“ verstoße gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung.
Bei Zugaben künftig drastische Strafen?
Wie berichtet, plant Gesundheitsminister Jens Spahn unterdessen, als Reaktion auf ein 2016 ergangenes EuGH-Urteil, wonach sich EU-Versandapotheken nicht an die deutsche Rx-Preisbindung halten müssen, dieselbe auch ins Sozialgesetzbuch aufzunehmen, um sie so europarechtskonform mit Wirkung für ausländische Versender zu bewahren. Dieses Vorhaben befindet sich allerdings noch immer im Abstimmungsprozess mit der EU-Kommission. Erst sorgte die Neubildung der Kommission, dann die Coronakrise dafür, dass Spahns Gesetzesvorhaben liegen blieb.
Laut Kabinettsentwurf des „Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes“ soll in Paragraf 129 SGB V künftig ausdrücklich festgehalten werden, dass Apotheken nur dann verordnete Arzneimittel mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können, wenn sie rahmenvertraglich an der Regelversorgung teilnehmen. Was sie zugleich auf die im Arzneimittelgesetz verankerte, strikte Rx-Preisbindung verpflichtet. Apotheken, die sich daran nicht halten, drohen Geldstrafen (bis zu 50.000 Euro je Verstoß) oder sogar ein zeitweiliger Ausschluss von der GKV-Versorgung. EU-Versandapotheken, die hier mitmischen wollen, müssten dann notgedrungen doch auf Zugaben im Rezeptgeschäft mit Kassenpatienten verzichten und könnten inländischen Apotheken keinen Preiswettbewerb liefern.
DocMorris hat schon angekündigt, zu klagen
Mit der sozialrechtlichen Spiegelung der Rx-Preisbindung – die sowohl vom EuGH als auch der EU-Kommission in der Vergangenheit schon mal in die Nähe zur Marktabschottung gerückt wurde –, setzt Spahn auf die Tatsache, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung weitgehend in der Hoheit der EU-Mitgliedstaaten liegen und dies von der EU-Rechtsprechung auch anerkannt wird. Sollten Spahns Pläne in Brüssel jedoch zurückgewiesen werden, stünde die Rx-Preisbindung wieder zur Disposition. Die niederländische Versandapotheke DocMorris hat bereits angekündigt, gegen Spahns Reform durch alle Instanzen ziehen zu wollen. (mwo/cw)
Verwaltungsgericht Leipzig, Az.: 3 C 20.18