Digitalisierung

Bangemachen gilt nicht

Machen digitale Anwendungen wie Apps und Künstliche Intelligenz Ärzte überflüssig? Die persönliche Beziehung zum Therapeuten ist unabdingbar, so Experten auf dem Neurologen- und Psychiatertag.

Veröffentlicht:

KÖLN. Digital Health ist die nächste Evolutionsstufe guter Medizin, glaubt jedenfalls Dr. Markus Müschenich, Vorsitzender des Bundesverbands der Internetmedizin und Pädiater. Potenzial bestehe vor allem bei der Entlastung von Praxen und der Versorgung ländlicher Gebiete, erklärte er auf dem Neurologen- und Psychiatertag am Freitag in Köln.

Keineswegs würden Telemedizin oder Apps Fachärzte überflüssig machen. "Wir müssen uns wenig Sorgen machen". Viele Teilnehmer der Konferenz äußerten allerdings die Sorge, dass digitale Angebote bald ihre Arbeit übernehmen werden. "Wir werden immer benötigt", erwiderte Müschenich. Gute Medizin sei angewiesen auf gute Kommunikation und gute Interaktion.

Professor Ulrich Voderholzer, Psychotherapeut in der Schön Klinik Roseneck, pflichtete ihm bei. "Auch die Forschung zeigt, dass die persönliche Beziehung unabdingbar ist." Er verwies auf Studien, wonach die Wirksamkeit von Online-Therapien bei Depressionen oder Zwangsstörungen stark von der Interaktion mit dem Therapeuten abhängt.

Müschenich strich vor allem den Vorteil der Globalisierung für Mediziner heraus. Weltweit könnten sie nicht nur miteinander kommunizieren, sondern auch Patienten im Urlaub oder in schlechter versorgten Gebieten betreuen. So werde der Wettbewerb globaler, sagte Müschenich. Gerade für deutsche Mediziner sei das ein Vorteil. "Das ist eine große Chance für Deutschland, weil wir richtig gut sind, und wir können diese Leistung exportieren."

Müschenich warnte allerdings davor, sich einfach zurückzulehnen und abzuwarten. Er forderte alle Ärzte auf, aktiv die Digitalisierung mitzugestalten. "Digitalisierung ist, solange wir sie treiben, perfekt für Ärzte, um gute Medizin nämlich Kommunikation voranzutreiben."

Er geht sogar so weit, in digitalen Angeboten ein künftiges Qualitätsmerkmal für die fachliche Kompetenz in Arztpraxen zu sehen. In Berlin beispielsweise gingen manche Patienten heute schon nicht mehr zu einem Arzt, der keine Online-Terminvergabe anbietet. "Sie glauben, wer bei der Terminvergabe nicht online ist, kann auch nicht gut weitergebildet sein", so der Internetexperte.

Auch Neurologe Dr. Frank Bergmann, neuer Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, ist dieser Meinung. "Patienten sind durch Amazon und Google geprägt". Sie erwarten heutzutage sofort eine Antwort. "Wir können Patienten nicht umerziehen, deshalb müssen wir unser Angebot darauf einstellen", ist Bergmann überzeugt.

Besonders im Hinblick auf die Zukunft, wenn die Versorgung durch immer weniger Mediziner sichergestellt werden müsste, sei die Nutzung all dieser Kanäle unabdingbar, so der KV-Vorsitzende. "Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren, sonst geben wir unsere Aufgaben wirklich an Dr. Google und Co. ab." (noe)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Digitalisierung

Mehr als 500 Millionen E-Rezepte allein in 2024

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

70 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025