Junge Mediziner

Black Box Weiterbildung

Immer mehr Studenten können sich vorstellen, Hausarzt zu werden, heißt es in einer Umfrage der KBV. Doch erst in der Weiterbildung entscheidet sich, wer sich niederlässt. Und hier sind Daten Mangelware.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Gemeinsam im Team lernen und arbeiten: Nachwuchsmediziner wollen keine Einzelkämpfer mehr sein.

Gemeinsam im Team lernen und arbeiten: Nachwuchsmediziner wollen keine Einzelkämpfer mehr sein.

© Sonja Werner

Arbeiten auf dem Land, Note 4, leben in der Großstadt Note 1: Die Mediziner von Morgen zieht es in die urbanen Zentren, die durchaus auch abseits von ihrem Heimatbundesland liegen können.

Sie wollen nicht nach Annaberg-Buchholz, Hof oder Meißen. Berlin, Hamburg, München sowie die Ballungszentren von Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg stehen auf der Wunschliste ganz oben.

In der aktuellen Studentenumfrage von KBV und Medizinischem Fakultätentag erklärt auch in der zweiten Erhebungswelle die Hälfte junge Mediziner, dass sie auf gar keinen Fall in kleinen Gemeinden arbeiten wollen.

Wenn Bäcker, Lebensmittelhändler und Schulen in dünn besiedelten Regionen geschlossen werden - wer mag dann dem Arzt ein Leben auf dem Land verordnen? Dabei helfen auch "Anreize durch deutliche Vergütungsverbesserungen", wie es der Sachverständigenrat in seinem aktuellen Gutachten vorschlägt, nicht.

Selbst 50 Prozent mehr Honorar würden nichts ändern - davon geht sogar KBV-Chef Dr. Andreas Gassen aus, wie er kürzlich im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" erklärte.

Image-Politur zeigt erste Erfolge

Aus der Studentenumfrage können zwei weitere Schlüsse gezogen werden: Die Anstrengungen, das Images des Hausarztberufs aufzupolieren, zeigen erste Erfolge.

Bei den Nachwuchsmedizinern steht das Fach Allgemeinmedizin auf Platz drei der Wunschliste, hinter der Inneren Medizin und der Pädiatrie. Disziplinen wie Anästhesie und Chirurgie landen auf den Plätzen vier und fünf.

Sorgen sollten sich die Berufsverbände und Fachgesellschaften der Dermatologen, Augenheilkunde, Psychotherapeuten und Urologen machen: Warum lehnen 54, 6 Prozent der Studenten es definitiv ab, Dermatologe zu werden, warum wollen 41,3 Prozent auf gar keinen Fall HNO-Arzt werden? Darauf werden die relativ kleinen Fächer demnächst eine Antwort finden müssen.

Die Beliebtheitswerte für die Allgemeinmedizin dürfen aber nicht täuschen: Die Vorurteile gegen den Beruf beherrschen weiter die Attitüden von Studenten.

Das Fach sei "langweilig", erfordere "zu viel Arbeit" und sei "nur was für Dumme". 79,5 Prozent bewerten die ständige Erreichbarkeit als negativ, 82 Prozent die Arbeitssituation als Einzelkämpfer.

Das zweite Fazit der Studie: Die Erhebung ist eine Momentaufnahme - sie beleuchtet nicht den wichtigsten Zeitraum der Entscheidung, in welchem Fach die Weiterbildung absolviert werden soll.

Das ist der Erhebung nicht anzulasten, das war vom Studiendesign weder möglich noch gewollt.

Die Frage für die Zukunft ist: Wenn die Motivation von (mehrheitlich) jungen Frauen und (einigen) Männern für den Beruf des niedergelassenen Arztes hoch ist, warum beenden sie nicht viel früher die Weiterbildung und tauchen in der Statistik der Praxis-Ärzte auf?

Studienabschluss - und dann?

In der Diskussion um den Medizinernachwuchs ist bisher ein Fleck blind geblieben: Die Zeit zwischen Studienabschluss und Start in die Weiterbildung - die Zeit, die richtungsweisend für die Fachwahl und Familienplanung ist.

Doch darüber gibt es kaum aussagekräftige Analysen - eine der wenigen, die diesen Lebensabschnitt beleuchtet hat, beklagt diese fehlende Debatte:

"Das Problem der Vereinbarkeit von Studienabschluss, Promotion und Weiterbildung, wurde bis dato weder an den Fakultäten noch in der Ärzteschaft wahrgenommen", heißt es in einer Studie von Professor Hendrik van den Bussche vom UKE Hamburg.

Der Allgemeinmediziner und sein Forscherteam bewerteten die private und berufliche Situation von Ärztinnen und Ärzten zu Beginn der fachärztlichen Weiterbildung. Sie zeigen vor allem eine Benachteiligung der jungen Medizinerinnen beim Start der Weiterbildung.

"Bei vielen als berufsrelevant geltende Aspekte sind Ärztinnen bereits zu Beginn der Weiterbildung im Rückstand. Dies gilt vor allem, wenn Kinder vorhanden sind." Der Grund: Frauen nehmen sehr viel mehr Rücksicht auf die Familie.

Das ist nachteilig für die berufliche Karriere und bedenklich angesichts der Tatsache, das der Frauenanteil unter den Medizinstudenten rund 65 Prozent beträgt.

Als berufsrelevante Kriterien stufen die Forscher beispielsweise die Zuteilung von universitären Weiterbildungsstellen zugunsten der männlichen Kollegen ein, sowie den späteren Beginn einer Weiterbildung, weil Kinder zu betreuen sind.

Mehr Daten zu Weiterbildung nötig

Es braucht also mehr Daten über die Situation in der Weiterbildung - auch wenn es schwierig wird, Aussagen über individuelle Lebenswege zu treffen.

Denn in diesem Berufsabschnitt haben Großorganisationen wie Universitäten oder Studentenvereinigungen keine zentrale Organisationsform mehr. Die Landesärztekammern, die jeden jungen Mediziner in Weiterbildung in ihrer Datenbank haben, sind keine große Hilfe.

Das zeigen allein die aufwändigen Bemühungen der Bundesärztekammer, die Qualität der Weiterbildung zu evaluieren.

Ärzteverbände und Kammern müssen nicht nur bei Studenten werben - sie müssen sich künftig stärker auch um die Ärztinnen und Ärzte vor und während ihrer Weiterbildung kümmern. Da ist Engagement gefragt - von allen Seiten.

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