Patientenrechte
Blick in die Akte macht Praxen noch Probleme
Wie weit das Recht der Patienten auf Einsicht in die eigene Krankenakte geht, scheint vielen Praxen noch nicht bewusst zu sein. Ein Testlauf zeigt: Vollständige und lesbare Unterlagen erhalten Patienten eher selten.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Seit 2013 ist das Patientenrechtegesetz in Kraft. Und dieses besagt in Paragraf 630g Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ganz deutlich, dass dem Patienten auf Verlangen "unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren" ist.
Zumindest, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen.
Und auch in der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO) wurde gerade erst der Passus, der die subjektiven Notizen des Arztes vom Einsichtsrecht bislang ausschloss, gestrichen.
Eben weil der 118. Ärztetag im Mai erkannte, dass eine Anpassung ans Patientenrechtegesetz dringend notwendig ist. Dennoch macht die Umsetzung im Praxisalltag Schwierigkeiten, wie ein Test der Stiftung Warentest zeigt.
Zwölf geschulte Tester in Praxen geschickt
Wie das Verbrauchermagazin berichtet (Magazin "test", Ausgabe 8/2015, S. 84-88), hat es im Frühjahr dieses Jahres zwölf geschulte Tester aus verschiedenen Orten zu ihren Ärzten geschickt.
Der Auftrag: Sie sollten eine Kopie ihrer Patientenakte verlangen. In den Test einbegriffen wurden drei Hausärzte, drei Gynäkologen, drei Augenärzte und drei Zahnärzte.
Einer der Testpersonen wurde in seiner Hausarztpraxis laut dem Bericht direkt die Gegenfrage gestellt: "Wozu wollen Sie das denn haben?"
Dabei besagt Paragraf 630g Absatz 1, dass - anders herum - nur die Ablehnung einer Einsichtnahme von der Praxis zu begründen ist. Es ist zudem klar im Gesetz geregelt (Paragraf 630 g Absatz 2), dass der Patient elektronische Abschriften bzw. Kopien der Patientenakte verlangen kann.
Kostenerstattung möglich
Die Praxis kann sich jedoch die Kosten dafür erstatten lassen. Größtenteils vollständige und für den Patienten lesbare Unterlagen erhielten laut der Stiftung Warentest allerdings nur drei Tester.
Fünf Mal hätten jegliche Notizen des Arztes gefehlt.
Im Frühjahr war es nach der alten Regelung in der Musterberufsordnung (Paragraf 10, Abs. 2 MBO) zwar noch erlaubt, die Teile, die subjektive Wahrnehmungen des Arztes enthielten, dem Patienten vorzuenthalten. Nach dem Patientenrechtegesetz galt dies aber bereits nur in eingeschränkten Ausnahmefällen.
Genau deshalb - und wegen einschlägiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - hat der Ärztetag, wie er selbst in einer ergänzenden Information zu seinem Beschluss schreibt, die MBO nachgebessert.
Immerhin wurden außer in einem Fall den Patienten keine überhöhten Gebühren in Rechnung gestellt. Die meisten Tester mussten gar nichts oder maximal 20 bis 50 Cent je Kopie zahlen.
Und da hier als Richtschnur das Gerichtskostengesetz anzuwenden ist, liegt dies zum Teil sogar unter dem möglichen Rahmen. Denn nach dem Gerichtskostengesetz kann die Praxis für die ersten 50 Kopien 50 Cent pro Seite und für jede weitere Seite 15 Cent verlangen.
Ein schwarzes Schaf war allerdings unter den getesteten Praxen: Einer der Testpatienten habe keine Kopie der Akte, sondern einen einseitigen Bericht über seinen aktuellen Gesundheitszustand erhalten - "für stolze 14,40 Euro", heißt es.
Befunde und OP-Bericht fehlten
Aufhorchen lässt aber auch, dass sieben der elf erhaltenen Akten nahezu leer gewesen seien oder eben große Lücken aufgewiesen hätten.
Die Stiftung Warentest hat die erhaltenen Akten von Fachärzten auf die Inhalte und Lesbarkeit prüfen lassen. Dreimal habe das Praxispersonal nur ein einziges Blatt überreicht.
Bei einem Augenarzt habe eine Probandin zudem einen Linsenpass für eine eingesetzte Kunstlinse erhalten, Befunde und OP-Bericht hätten gefehlt.
Und selbst die 29 Seiten aus einer Hausarztpraxis hätten keine Aufzeichnungen des Arztes zur Behandlung enthalten. (reh)