Leberskandal
Chirurg bestreitet Manipulation
Ein weiterer Verhandlungstag im Prozess um mutmaßlich manipulierte Wartelisten in Göttingen: Ein Sachverständiger der BÄK sollte die Richtlinien erläutern - und der Chirurg streitet den Vorwurf der Manipulation ab.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. Im Prozess um den Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum hat der angeklagte Chirurg am Montag bestritten, Gesundheitsdaten von Patienten manipuliert zu haben.
Sein Mandant wolle sich zwar eigentlich nicht äußern, weise aber die Vorwürfe zurück, sagte sein Verteidiger Professor Steffen Stern am Montag auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden Richters Ralf Günther. Der 43-jährige Mediziner muss sich vor dem Landgericht Göttingen wegen versuchten Totschlags in elf Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Patienten als kränker dargestellt zu haben, als sie tatsächlich waren, damit sie schneller eine Spenderleber zugeteilt bekamen. Dadurch seien andere Patienten, die ein Organ dringender benötigt hätten, verstorben.
Außerdem soll er drei Patienten eine Leber eingepflanzt haben, ohne dass dafür eine entsprechende Indikation vorlag. Diese seien nach der Transplantation verstorben.
Das Gericht hatte am Montag ein Mitglied der Prüfungskommission der Bundesärztekammer (BÄK) als sachverständigen Zeugen geladen, um sich deren Richtlinien zur Organtransplantation erläutern zu lassen. "Organe sind Mangelware", sagte der Kölner Chirurg Tobias Beckurts.
Die Richtlinien beruhten auf der Summe vieler Erfahrungen in der Transplantationsmedizin. Ziel sei es, "den Mangel möglichst gut zu verwalten" und die Spenderorgane sinnvoll und in gerechter Art und Weise zu verteilen.
Experte verteidigt Karenzzeit
Der angeklagte Chirurg hatte kürzlich bestritten, dass es einen Mangel an Spenderorganen gibt und auf der Warteliste stehende Patienten deshalb versterben.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, mehrfach alkoholkranken Patienten eine Leber transplantiert zu haben, obwohl diese noch nicht die vorgeschriebenen sechs Monate "trocken" waren.
Nach Ansicht des BÄK-Experten Beckurts ist dieser Karenzzeitraum ein "vernünftiger Wert". Es mache keinen Sinn, einen aktiven Alkoholiker zu transplantieren. "Der würde die neue Leber genauso zugrunde richten wie sein eigenes Organ."
Einer der Verdachtsfälle betrifft einen alkoholkranken russischen Patienten, der im Mai 2011 in der Göttinger Universitätsmedizin eine neue Leber erhalten hatte. Bei der Prüfung dieses Falls war der Ärztekammer-Experte auf eine andere Merkwürdigkeit gestoßen.
Der russische Patient sei auf der Warteliste als Dialyse-Patient geführt worden, obwohl es in den Unterlagen keinen Hinweis darauf gegeben habe. Tatsächlich habe der Mann eine passable Nierenfunktion gehabt, seine Werte seien in Ordnung gewesen. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. (pid)